Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Selbstdisziplin.
»Übrigens, dein Mitarbeiter hat das Notwendige veranlasst. Die Handyortung läuft schon, soviel ich weiß. Also soweit ich helfen kann, du weißt …« Schneckenburger fühlte sich sichtlich unwohl in der Situation und suchte krampfhaft etwas auf seinem Schreibtisch.
»Scheint übrigens ein guter Mann zu sein, dieser Nowotny«, lobte er Palinskis Assistenten. »Woher hast du den eigentlich ?«
Da ihm die Frage aus Verlegenheit gestellt worden war, verzichtete der Befragte auf eine Antwort. Der erste Schock hatte sich ein wenig gelegt, und die Vernunft gewann langsam wieder die Oberhand.
Der Ministerialrat war einer jener Menschen, die unangenehme Situationen durch besonders viel und eher geistloses Quatschen meistern wollten. Die nächste Frage Mikis war ein Paradebeispiel für diese These.
»Wie kommt denn Wilma damit zurecht ?« , wollte der Affe jetzt tatsächlich wissen. Zumindest war ihm diese geistlose Abfolge an Worten eben über die Lippen gequollen.
Abgesehen davon, dass er das nicht wissen konnte, was war das für eine geistlose Frage? Genauso idiotisch wie die traditionelle Frage der Reporter an den Olympia- oder sonstigen Sieger im ›Wasimmerauch‹ unmittelbar nach ihrem Sieg »Und wie fühlen Sie sich jetzt?«. Nur eben unter völlig entgegengesetzten Vorzeichen.
»Na, wie wird sie schon damit zurechtkommen«, wollte Palinski den Freund schon anbrüllen. »Sie tanzt Csardas auf der Kommode und sucht bereits einen Untermieter für das freie Zimmer .« Aber er strafte Schneckenburger mit schweigender Verachtung.
»Kopf hoch, wir holen deinen Buben da schon raus«. Miki versuchte offenbar, ihn zu trösten. »Notfalls auch mit der Cobra. Um was geht es da eigentlich? Doch nicht ernsthaft um … Gummitiere?«
»Wie du dich sicher noch erinnern kannst, hast du mich vor zwei Minuten erstmalig über Harrys Schicksal informiert. Ich habe also keine Ahnung von den näheren Umständen .« Palinski zuckte provokativ mit den Achseln.
Inzwischen hatte Schneckenburger wohl erkannt, wie ungewöhnlich viel Blödsinn er selbst für einen österreichischen Beamten in den letzten Minuten von sich gegeben hatte. Um davon abzulenken, quatschte er in bewährter Manier ganz einfach weiter.
»Tja, wenn du wüsstest, wie viele eigenartige Dinge in Österreich tagtäglich passieren. Besonders jetzt und sicher auch noch die nächsten Wochen. Bis diese idiotische Fußballhysterie wieder vorbei sein wird .« Der Ministerialrat war offenbar kein großer Fan der Magie der Lederkugel auf dem grünen Rasen.
»Aber …«, fing Palinski an, hielt aber gleich wieder inne.
Jetzt kannte er Miki schon …, na, mindestens 20 Jahre und hatte noch nie mitbekommen, dass der Mann mit Fußball offenbar überhaupt nichts am Hut hatte. Aber schon gar nichts. Nicht, dass Palinski ein fanatischer Anhänger gewesen wäre. Der einzige Verein, für den er sich früher vergleichsweise hatte begeistern können und das nach wie vor tendenziell tat, war die ›Vienna‹. Der in Döbling beheimatete Verein war vor vielen, nein, vor noch viel mehr Jahren sogar österreichischer Meister gewesen, heute aber in der relativen Bedeutungslosigkeit irgendeiner Regionalliga verschollen.
Dennoch hing sein Herz noch immer an den Blaugelben. Und ehemaligen Spielerlegenden wie Schmid und Koller, die am legendären 7:5 gegen die Schweiz und dem 3. Platz der Österreicher bei der WM 1954 maßgeblichen Anteil gehabt hatten. Aber auch der berühmte Karl Decker oder der spätere Parademittelstürmer Hansi Buzek waren auf der Hohen Warte zu Hause gewesen.
Kein Wunder also, dass Palinski die österreichische Meisterschaft relativ wurscht war. Er verfolgte sie zwar und freute sich immer, wenn ein David einem der wenigen heimischen Goliaths einen Strich durch die Rechnung machte. Aber ein richtiger Anhänger, der mitfieberte und dann auch begeistert ›Tor, Tor, Tor‹ schreien konnte, wurde er nur in internationalen Begegnungen, in denen eine österreichische Mannschaft engagiert war. Und er wunderte sich immer wieder, wie viel von einem chauvinistischen Idioten in solchen Fällen auch in ihm steckte.
»Aber«, begann Palinski nochmals seinen Satz, »jetzt sind wir endlich einmal auch bei einer Europameisterschaft dabei, und du freust dich nicht .« Es klang richtig trotzig. »Das verstehe ich nicht. Du bist doch sonst nicht so ein Ignorant. Ganz im Gegenteil.«
»Die österreichische Mannschaft ist nur dabei, weil die EM bei uns stattfindet.
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