Ballsaison: Palinskis siebter Fall
traditionsreichste Luxusrestaurant der Stadt befand, das ›Drei Husaren‹.
1933 hatten Oberst Paul Graf Palffy, sein Vetter Peter Palffy und Rittmeister Baron Sonjok das Kaffeehaus Ella Zirners in der Weihburggasse 4 gepachtet. Damit war der Grundstein für das weltberühmte ›Drei Husaren‹ und seine wechselvolle Geschichte gelegt worden.
Bald schon hatten die drei Haudegen allerdings erkennen müssen, dass außerordentliche Fähigkeiten im Felde nicht automatisch auch schon Erfolg bei der Führung eines Gastronomiebetriebes garantierten. In weiser Selbstbeschränkung hatten sie sich daher die Dienste Ignaz Dieners, des langjährigen Direktors des Hotel »Sacher«, gesichert und ihn mit der Führung ihres Restaurants beauftragt. Schwere finanzielle Fehlschläge hatten Graf Palffy aber gezwungen, das Restaurant 1938 an Hitlers Lieblingsgastronomen, den Berliner Otto Horcher, zu verkaufen.
Die Gunst des ›GröFaZ‹ * hatte in den folgenden Jahren beste Geschäfte garantiert. Kritik an der unmenschlichen Rassenpolitik der Nazis hatten Horcher allerdings später in größte Schwierigkeiten gebracht. Mithilfe Görings war ihm und seiner Familie aber 1943 die Flucht nach Madrid gelungen, wo er das berühmte ›Horcher‹ in der Calle de Alfonso gründete. Das Restaurant existiert noch immer und wird dem Vernehmen nach gerne von internationalen Größen besucht.
1949 hatte Egon Baron von Fodermayer das seit Horchers Abgang geschlossene ›Drei Husaren‹ erworben. Nach zwei Jahren liebevollster Restaurierung hatte er das Restaurant wieder eröffnet und dem etwas an Glanz verlorenen Namen neuerlich strahlende Geltung verliehen. Mehr denn je zuvor etablierte sich das einzigartige Lokal als kulinarischer Fixstern und beliebter Treffpunkt der Wiener Gesellschaft. Die überragenden Leistungen der Küche erkochten dem Lokal ein Image, welches das Restaurant weit über die Grenzen Österreichs, ja Europas hinaus bekannt machte.
Nachdem er in Uwe Kohl und Ewald Plachutta sowohl fachlich als auch gastrosophisch kongeniale Nachfolger gefunden hatte, hatte Egon von Fodermayer 1979 sein Lebenswerk in jüngere Hände übergeben und sich zurückgezogen.
Allen Skeptikern und Unkenrufern zum Trotz war es den neuen Eigentümern in kurzer Zeit gelungen, die qualitative und atmosphärische Kontinuität dieser Wiener Institution in beeindruckender Weise zu sichern. Mehr noch, es gelang ihnen, die Marke ›Drei Husaren‹ mit Geschmack, Fingerspitzengefühl und Augenmaß so dem Wandel der Zeit anzupassen, dass das Restaurant blieb, was es immer schon gewesen war. Nämlich d i e Adresse für Wiener Küche und Esskultur. Dadurch, dass das ›Drei Husaren‹ nie im modernistischen Gastromainstream mitgeschwommen war, war es auch nie in gewesen und konnte daher auch niemals out sein. Eine bessere Langzeitstrategie gab es nicht.
Palinski hatte Uwe Kohl, dem das Lokal inzwischen alleine gehörte, durch einige Jobs während seiner Studienzeit kennen- und schätzen gelernt. Ja, er hatte sich mit dem um rund 20 Jahre älteren Gastronomen angefreundet. Die beiden Männer sahen sich zwar nicht oft, genossen die seltenen Treffen dafür aber umso mehr.
Für heute Abend 21.30 Uhr hatte Mario einen Tisch für zehn Personen bestellt, um den Geburtstag einer guten Freundin zu feiern. Grund genug für Kohl, sich ein paar nette Kleinigkeiten einfallen zu lassen. Denn Marios Freunde waren auch seine Freunde.
Als Erster der Runde erschien Harry, Palinskis Sohn, mit seiner derzeitigen Flamme. Nettes Mädchen, fand Uwe. Und wie groß der Bub geworden war. Als er ihn das letzte Mal gesehen hatte, war Harry noch ein richtiger kleiner Hosenscheißer gewesen. Und jetzt stand ein Mann vor ihm. Also Limonade konnte er den beiden nicht mehr anbieten.
»Schön, Sie heute hier begrüßen zu können«, meinte er zu Irmi und küsste ihr galant die Hand. »Servus Harry, ihr seid die Ersten .« Er deutete zur Bar: »Darf ich euch schon einmal auf ein Glas Champagner einladen ?«
* * *
Serge Hiebler blickte auf den Umschlag, der eigentlich längst unterwegs oder gar schon an der Empfängeradresse angelangt sein sollte. Er hatte sich seit vorgestern vorgenommen, die Sendung zur Post zu bringen. Gleich nachdem er die kleine Schachtel gekauft und mit dem etwas ungewöhnlichen Versandgut befüllt hatte. Den kurzen Begleitbrief hatte er rasch geschrieben gehabt und beides, Brief und Schachtel, in ein etwas größeres Kuvert gesteckt. Und seither lag der
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