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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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Umschlag auf dem kleinen Kasterl im Vorzimmer, mit Adresse und Absender versehen und bereit, auf die Reise zu gehen.
    Inzwischen hatte er ein bisserl ein schlechtes Gewissen. Sein Partner hatte seinen Teil der Vereinbarung voll erfüllt und konnte daher erwarten, dass auch er, Serge, die von ihm übernommene Verpflichtung zu 100 Prozent erfüllte. Und dazu fehlten eben noch, na ja, die letzten 0,5 Prozent halt. Ihm war bisher aber immer was dazwischengekommen.
    Na ja, Sie kennen das sicher auch. Man nahm sich etwas vor, und es wollte und wollte einfach nicht klappen. Aber heute sollte es geschehen. Serge blickte auf seine Uhr, es war kurz nach 21.30 Uhr und ein herrlicher Abend. Er hatte noch irgendwo einige Briefmarken, die würde er auf den Umschlag kleben und diesen dann in den Briefkasten beim Grinzinger Postamt einwerfen. Der wurde auch sonntags geleert, wenn er sich nicht irrte. Wichtig war vor allem aber, dass das Zeug endlich einmal weg aus seiner Wohnung kam. Und danach wollte er sich noch ein, zwei Vierterln beim Heurigen genehmigen. Zum Ausklang einer erfolgreichen Woche und als Trunk zur Guten Nacht.
    Ein wenig später, auf dem Weg zu jenem gelben Kästchen mit den beiden Schlitzen links und rechts, überkamen Serge allerdings Bedenken. Da der Inhalt des Umschlages zumindest für seinen Empfänger einen sehr hohen Wert besaß, sollte er das Postgut vielleicht besser doch ›Rekommandiert‹ versenden. Auch für den Fall, dass die Sendung verlorenging, was der Post, privatisiert oder nicht, gelegentlich schon passieren konnte, war es besser, dem Empfänger gegenüber die Erfüllung seiner Verpflichtung nachweisen zu können. Wo aber war das nächste Postamt, das am Samstag um diese Zeit noch geöffnet hatte? Na, in jedem Fall die Hauptpost in der Inneren Stadt.
    Da er aber jetzt schon einmal in der Heurigengegend war, wollte er auch etwas trinken. Während er noch überlegte, für welches Lokal er sich entscheiden sollte, wurde er von einem Spezifikum fußballerischer Großveranstaltungen umflutet, einer Gruppe Schlachtenbummler. Die rund fünfzehn 25- bis 35-jährigen Männer aus Deutschland, die bereits leicht angetrunken waren und die Stangen ihrer zum Teil aufgerollten Fahnen gesenkt vor sich hertrugen wie weiland die Ritter im Turnier, schienen Serge für einen hilfsbereiten Menschen zu halten. Was er ja grundsätzlich auch war.
    »… n’Abend«, meinte der mit der größten Fahne. »Tschulldjung, kännen Sie mer saschen, wo es hier zum ›Hause Däbling‹ gäht?«
    Serge, der nie zuvor einen Sachsen live erlebt hatte und noch dazu in Gedanken war, reagierte eher unwirsch.
    »Wenn Sie etwas von mir wollen, müssen Sie schon Deutsch reden«, murrte er unwillig. »Wer soll denn das Kauderwelsch verstehen ?«
    Irgendwie hatte Hiebler damit die alkoholbedingt recht niedrig liegende Reizschwelle der Freunde aus Mitteldeutschland überschritten und sich damit zwei zufällige, aber deutlich spürbare Stöße mit den Fahnenstangen eingehandelt.
    »Au«, brüllte er, »was soll denn das, ihr Arschlöcher? !« Kaum hatte er das gesagt, hatte er sich auch schon eine mächtige Backpfeife, also eine Ohrfeige, eingehandelt.
    Einige ebenfalls schon leicht angeschickerte jüngere Wiener auf Lokalsuche sahen den Landsmann bedroht und gleichzeitig eine Chance, sich wieder einmal körperlich zu betätigen. Und schon war die schönste Rauferei im Gange, die Grinzing seit Langem gesehen hatte.
    Mit dem ersten Schlag, den Serge hatte einstecken müssen, hatte er den Umschlag fallen lassen. Nachdem ein, zwei Kämpfer versehentlich draufgestiegen waren, wurde das gute Stück durch ein wohlmeinendes Schicksal aus der unmittelbaren Kampfzone heraus irgendwie ins Rinnsal befördert, wo das Kuvert mehr oder weniger unbeachtet liegen blieb.
    Serge fiel der Verlust erst einige Zeit später auf dem Kommissariat auf, in das man die ganze Blase, die sich angesichts des gemeinsamen Feindes plötzlich ganz gut verstand, gebracht hatte.
    Aber da war es schon zu spät. Denn in der Zwischenzeit hatte der Polizeibeamte Anton Weber den Brief entdeckt und geborgen. Er wollte damit schon zum nächsten Postkastl eilen, um die Sendung ihrer Bestimmung zuzuführen, als sein Blick auf den Adressaten fiel. Der Name kam ihm bekannt vor, sehr bekannt sogar, und er wusste auch gleich, woher. Hatte er ihn doch erst vor wenigen Tagen gehört. Und so nahm er den Umschlag mit sich, um ihn seinem Vorgesetzten zu zeigen.

     
    * * *

     
    Sabine

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