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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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Tor der Eidgenossen einen vom eigenen Verteidiger kommenden Rückpass ohne Not mit den Händen auf. Kein Mensch, auch Bellinson selbst, konnte diese Kurzschlusshandlung später erklären. Außer vielleicht mit Vorherbestimmung.
    Dem aufmerksamen Schiedsrichter war das natürlich nicht entgangen, und so pfiff Gospodin Anatoli Karpolew sofort ab, zeigte indirekten Freistoß an und deutete auf einen Punkt im schweizerischen Strafraum. Entsetzen bei den rund 22.000 Eidgenossen auf den Rängen, Begeisterung bei den etwa 4.000 Anhängern der Portugiesen und interessierte Aufmerksamkeit beim Rest der Wahnsinnigen. Ein Indirekter im Strafraum, das sah man wirklich nicht täglich. Was nun tatsächlich folgte, aber noch seltener: Stürmerstar João Marén legte sich den Ball sorgfältig auf, der Schiedsrichter scheuchte die aufgeregten Spieler der Schweizer so lange hin und her, bis der Abstand stimmte. Dann endlich der erlösende Pfiff. Der geschickt zu Alistingo gezirkelte Ball wurde allerdings vom herausstürmenden Bellinson in hohem Bogen aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich geboxt und gelangte zu dem am ›Sechzehner‹ wartenden Olbinger.
    Da die so unmittelbar vor der Pause völlig unerwartete Chance auf den Führungstreffer sämtliche Portugiesen in den Strafraum der Gastgeber gelockt hatte, befand sich zwischen dem Schweizer Mittelstürmer und dem gegnerischen Tor niemand mehr außer dem portugiesischen Keeper Polani. Der sich, um besser sehen zu können, was sich bei seinem Kollegen vis à vis abspielte, etwa auf Strafraumhöhe aufgebaut hatte.
    Olbinger hatte den Ball blitzschnell angenommen und bereits einige Meter in Richtung des portugiesischen Tors zurückgelegt, als Polani die akute Gefahr erst so richtig erkannte, sich umdrehte und lossprintete. Der Schweizer Stürmer führte den Ball noch einige Meter, brachte sich dann in Schussposition und hob den Ball aus mehr als 50 Metern Entfernung gefühlvoll auf Polanis Tor.
    Der Portugiese, der die 100 Meter angeblich in 10,9 zurücklegen konnte, gab wirklich sein Bestes. Aber das war an diesem Tag nicht gut genug. Etwa einen Meter vor ihm senkte sich der Ball fast wie in Zeitlupe auf den Rasen knapp vor dem Tor und sprang dann über den unglücklich nachhechtenden Goalie hinweg ins Netz. 1:0 für die Schweiz.
    Selten zuvor hatte ein Torhüter so alt ausgesehen wie der arme Polani in dieser Situation.
    Das ungläubige Schweigen, das sich nach Olbingers Ballannahme über den St.-Jakobs-Park gesenkt hatte, wurde schlagartig von einem ungeheuren Sturm der Begeisterung abgelöst. Der Pfiff, mit dem der Schiedsrichter die erste Spielhälfte beendete, ging völlig in den minutenlangen, stakkatoartigen ›Olbinger, Olbinger‹- und ›Hopp Schwiiz‹-Rufen unter.
    Lediglich die bitter enttäuschten portugiesischen Fans, nicht wenige von ihnen heulten wie kleine Kinder und stellten so einen bevorzugten Blickfang für die internationale Bildregie dar, beeinträchtigten das allgemeine Hochgefühl.
    Ja, so war Fußball, dachte Palinski. Da reichten 30 verrückte Sekunden, um die vorangegangenen 46 Minuten nicht nur vergessen, sondern in Begeisterung verwandeln zu lassen.
    Er ging in die Küche, um sich ein Glas Mineralwasser und ein paar Kekse zu holen. Das Abendessen zu Ehren Mariannes würde erst um 21.30 Uhr stattfinden, und er hatte Hunger. Jetzt.
    Als er ins Wohnzimmer zurückkam, liefen eben einige Werbespots in der ›Idiotenlaterne‹. Palinski wollte schon den Sender wechseln, als plötzlich die hinlänglich bekannte ›Beisl-Bar‹-Werbung zu laufen begann. Er hatte sich nach dem gestrigen Telefonat und seinem Vergleich mit Hektor Wiener nicht mehr weiter um die Schnitzel-Angelegenheit gekümmert. Die fachlichen Details waren ohnehin Sache des Anwalts, vor allem aber hatte er gar keine Zeit gehabt.
    Palinski verfolgte das Filmchen zunächst eher desinteressiert, dann aber mit wachsender Empörung. Zwar waren alle Passagen, die ihn bzw. seinen Namen in Bezug mit der Schnitzelaktion brachten, entfernt worden. Aber der neue, dem Spot unterlegte Text, besser, dessen Kernaussage machte ihn zornig. Da stellte dieser Scheißwiener die ganze Spendenaktion sozusagen als Idee seines Unternehmens hin und verschaffte sich auf seine, Palinskis Kosten, das Image des Wohltäters hilfsbedürftiger Kinder und Jugendlicher.
    »Von jedem Schnitzel, das während der Fußball-EM, also bis zum 29. Juni, in einem unserer ›City-Beisln‹ verkauft wird«, verkündete der feiste Unternehmer

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