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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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eigenartige Gast einige Meter entfernt am Tisch dieses alten Paares irritierte ihn über Gebühr.
    »Sag, Anselm«, flüsterte Harry Wiegele zu. »Kennst du den Mann da drüben«, er verdrehte die Augen nach oben, wollte offenbar damit andeuten, dass er sich nicht umdrehen konnte, ohne Aufmerksamkeit zu erwecken. »Da hinten, drei Tische weiter. Der alte Herr mit der weißen Mähne.«
    »Das ist Konsul Dr. Kehl, ein deutscher Milliardär«, flüsterte Wiegele zurück. »Er ist Hauptaktionär der KUP-Supermärkte. Auch das neue Einkaufszentrum im Prater gehört zum größten Teil ihm .«
    »Und der Jüngere der beiden, wer ist das?«
    »Das ist sein Sohn Johann Friedrich Kehl. Ich glaube, er und der Alte vertragen sich nicht wirklich«, Wiegele blinzelte Harry an. »Dominanter Vater erdrückt Sohn«, formulierte er. »Nicht jeder hat so ein Glück wie du .«
    Harry verdrehte im Scherz die Augen, musste dann aber lachen.
    Wiegele erzählte ihm, was er wusste, auch über den schweren Unfall in Südamerika und so. »Ein Bein soll seither kürzer sein. Angeblich kann er nur mit orthopädischen Schuhen gehen .«
    Komisch, der Kerl kam Harry so bekannt vor. Aber woher? Wohin sollte er ihn stecken? Na, es würde ihm schon noch einfallen. Und wenn nicht, dann eben nicht, so wichtig war die Sache auch wieder nicht.
    Obwohl: War Kehl nicht auch der Name einer Stadt?

11
    Sonntag, 8. Juni, vormittags
    Obwohl sie erst nach 2.00 Uhr morgens ins Bett gekommen war, war Wilma kurz nach 6.00 Uhr schon wieder auf den Beinen. Es war eine Frage, auf die sie eine Antwort suchte, die sie nicht länger schlafen ließ. Was zog man, verdammt noch einmal, an, wenn man mit einem richtigen Ministerpräsidenten und seiner Frau zum Frühstück verabredet war?
    Sohn Harry war ebenfalls schon munter, lenzte aber noch zwischen den Linnen. Ihn beschäftigte auch so einiges. Die ganze Nacht über hatte er immer wieder den Mann, diesen Kehl junior, vor Augen gehabt. Der hatte ihn im Traum höhnisch angelacht, als ob er sagen wollte »Na du, erkennst du mich nicht, du armes Würschtel, ich bin’s, der …« Und genau an das, was der Scheißkerl dann gesagt hatte, konnte sich Harry partout nicht erinnern. Und diese eine Geste, die ihm so vertraut vorgekommen war. Dieses Stechen, Harpunieren, Aufspießen des Gegenübers mit dem Zeigefinger der rechten Hand. Wäre der Mann kein Krüppel, dann … Harry dachte den Gedanken nicht zu Ende, denn der Mann war nun einmal schwer gehbehindert.
    Fast automatisch stellte er das kleine Fernsehgerät in seinem Zimmer an und blickte auf die munteren Figuren des frühmorgendlichen Kinderprogramms. Immer wieder derselbe Schmus, dachte er, und dennoch irgendwie wie das Leben. Der Kater terrorisierte die Mäuse, die Mäuse wehrten sich mit List und Tücke. Und so wogte das Leben hin und her, einmal hatte der eine die Schnauze vorne, dann die anderen.
    Harry hatte sich schon öfters gefragt, für wen dieses Programm eigentlich bestimmt war. Für die Kleinen, die im Kindergarten waren, oder die schon etwas Größeren in der Schule? Wohl mitnichten. Eher doch für jene, die ihre vormittägliche Bestimmung schwänzten, mit vorgetäuschtem Bauchweh im Bett geblieben waren. Nun ja, manchmal musste man sich eben verstellen, um weiterzukommen. Wie jetzt gerade die Maus, die dem Kater vorgaukelte, sich nicht mehr rühren zu können. Um plötzlich wie ein Blitz auf und davon zu laufen.
    Das war’s, ja, das musste es sein. Falls diese Annahme zutraf, würde alles plötzlich zusammenpassen, sich erklären lassen. Wie hatte ein kluger Kopf einmal gesagt? »Es ist einfach für einen intelligenten Menschen, sich dumm zu stellen. Umgekehrt ist das so gut wie unmöglich .« Was für die Intelligenz galt, musste doch auch auf ein kürzeres Bein anzuwenden sein. Oder ein längeres, je nachdem, wie man das sehen wollte.

     
    * * *

     
    Wilma hatte sich schließlich für den Hosenanzug aus naturfarbener Thaiseide entschieden, der sie atemberaubend aussehen ließ. Fand nicht nur Palinski, sondern zumindest auch der Doorman des ›Imperials‹, dem beim Eintreten Frau Bachlers die Augen herausquollen wie die Zahnpastawürschteln aus der Tube. Frau Brionigg, die die beiden schon in einem reservierten Salon in der Nähe des Caféhauses erwartete, war aber auch nicht ohne. Mario hatte die etwa 40-jährige Frau bisher nur auf Fotos bzw. einmal aus größerer Distanz gesehen und war sehr angenehm überrascht. Aus lauter Begeisterung ließ er sich

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