Ballsaison: Palinskis siebter Fall
permanent fremdgehenden Mann aus dem Kopf zu vögeln, waren die beiden so etwas wie Freunde geworden. Nein, eher so etwas wie eine Interessengemeinschaft.
Ein paar Monate später hatte Serge Arthur Mellnig kennen- und lieben gelernt. Nach einigen sehr intensiven Wochen hatte er aber feststellen müssen, dass sich der von seinem Sport besessene Schiedsrichter nie zu seiner Neigung und damit zu Serge bekennen würde.
»Im Gegenteil, zuletzt hat er sich allen Ernstes mit dem Gedanken getragen, sich mit seiner Frau auszusöhnen«, bekannte Hiebler. »Nur um den Schein zu wahren und sich die blöden Bemerkungen einiger vertrottelter Spieler zu ersparen .«
Für den total verliebten Fitnesstrainer war diese Aussage, dieser Verrat an seinen Gefühlen sehr schmerzhaft und schließlich unerträglich gewesen.
Als Serge einige Wochen später Evelyn Immenseh bei einem Fortbildungskurs in Bad Homburg traf, war es dann zu diesem ›mörderischen Arrangement‹ gekommen.
»Urs hat Evy wiederholt in aller Öffentlichkeit bloßgestellt«, erklärte er. »Darüber hinaus hat er sie auch mehr oder weniger regelmäßig verprügelt .« Damals war es mit den Geschäften des Architekten bergab gegangen, und er hatte seinen Frust an seiner Frau ausgelassen.
Und so hatten sich die beiden beim gemeinsamen Joggen durch den morgendlichen Kurpark zu einem ultimativen Entschluss durchgerungen: Sie würden dem anderen und damit auch sich selbst einen großen Gefallen tun. Indem jeder von ihnen den Partner des jeweils anderen beseitigte, dessen fortgesetzte Existenz nicht mehr zu ertragen war.
Als absehbar geworden war, dass Immenseh nach Wien kommen würde, hatte Hiebler seinen Freund nur noch veranlassen müssen, genau zu diesem Zeitpunkt in die Schweiz zu reisen. Mit den angeblich manipulierten Spielen während der EM war das bei dem ehrgeizigen Mellnig ein Leichtes gewesen.
Sehr raffiniert eingefädelt, wie Wallner anerkennen musste.
Ja, und damit war es so weit gewesen.
* * *
Der Traum der letzten Nacht hatte Harry noch immer nicht losgelassen. Wieder und wieder sah er das höhnische Gesicht vor sich und hörte die Stimme sagen, dass es für einen intelligenten Menschen überhaupt kein Problem war, sich dumm zu stellen.
Da war auch noch die listige Maus, die dem Kater vorspielte, sich nicht mehr rühren zu können. Um dann plötzlich wie ein Blitz loszurennen. Auf und davon. Und der Kater war der Dumme.
Das Letzte, woran sich Harry erinnerte, war der ausgestreckte Zeigefinger der rechten Hand, mit der die Maus … So ein Blödsinn, Mäuse haben keinen Zeigefinger. Aber Konsul Emden hatte einen, ebenso Dr. Matreier und auch … Ja, das war es, das musste es sein. Plötzlich glaubte Harry, die ganze Wahrheit zu kennen. Und nichts als die Wahrheit. Aber auch das, was noch auf sie zukommen sollte.
Aufgeregt tippte er Wiegeles Rufnummer ein und wartete ungeduldig, bis sich der Hauptkommissar meldete.
»Hi, Anselm, erinnerst du dich noch an unser Gespräch über Dr. Matreier ?« , Harry war gleich zur Sache gekommen. »Als wir uns das Video Konsul Emdens angesehen haben ?«
Natürlich erinnerte sich Wiegele, aber warum sollte er das gerade jetzt tun? »Ich glaube, Dr. Matreier bzw. Konsul Emden und Johann Friedrich Kehl sind ein und dieselbe Person«, Harry war ganz atemlos vor Aufregung. »Ich bin ganz sicher, dass ich ihn gestern im Restaurant erkannt habe. Die Augen, dann diese typische Gestik, vor allem, wie er die Menschen mit seinem Zeigefinger traktiert. Das ist unverwechselbar .«
Wiegele wusste nicht sofort, was er antworten sollte.
»Aber Kehl mit seinem kaputten Bein ist doch gar nicht in der Lage, all die Dinge zu tun, die Konsul Emden bzw. Dr. Matreier getan hat«, erwiderte er halbherzig.
»Es ist leichter für einen intelligenten Menschen, sich dumm zu stellen«, Harry war richtig froh, das Zitat endlich einmal anbringen zu können, »als für einen Dummen …«
»… auf intelligent zu machen«, vollendete Wiegele. »Du meinst also, die Beinverletzung Kehls ist bloß Tarnung ?«
»Ja, da bin ich mir ziemlich sicher. Und das Beste ist«, Harrys Stimme hatte etwas Triumphierendes angenommen, »ich denke, der Alte, dem es Matreier mit dem dritten ›Wumm‹ zeigen will, ist sein Vater. Also Kehl senior.«
Langsam fand Wiegele Gefallen an dem Gedanken. Irgendwie hatte diese Konstruktion Charme, erklärte einiges. Ihm fiel auch sein letztes Aufeinandertreffen mit Johann Friedrich Kehl ein, bei dem er einen
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