Ballsaison: Palinskis siebter Fall
, fragte sie freundlich. Der Jüngling nickte dankbar, nahm die Semmel und beseitigte sie innerhalb kürzester Zeit.
»Danke«, meinte er dann mit noch relativ kindlich hoher Stimme, was auf ein Entwicklungsstadium vor dem Stimmbruch schließen ließ.
Das war nicht bloß Appetit, erkannte Tina, der Kleine hatte richtig Hunger. Und so holte sie einen Zehner aus ihrer Geldbörse und hielt ihn dem Jungen hin. »Holst du uns noch je eine Schinkensemmel und, sagen wir, für jeden eine Cola dazu ?«
»Klar«, meinte Jan Paluda und ergänzte:»Das ist aber nett. Ich bin gleich wieder zurück .«
* * *
Palinski war rasch nach Hause gefahren, um sich etwas Bequemeres für die Fahrt anzuziehen und Schlüssel und Papiere für Wilmas Van zu holen. Beim Verlassen des Hauses bemerkte er Bewegung im vis à vis auf Stiege IV liegenden Büro des ›Instituts für Krimiliteranalogie‹. Da konnte er natürlich gar nicht anders, als noch einen Blick zu riskieren, um herauszubekommen, wer die Sonntagsruhe ignorierte.
Es war Florian, sein Assistent, der keine Lust verspürt hatte, nach Hause zu fahren und, Sonntag hin oder her, lieber ein wenig arbeitete.
Am Anrufbeantworter fand sich eine Nachricht von Dr. Herburger, den Palinski gestern ebenfalls auf Band über seinen Ärger mit dem neuen Werbespot Hektor Wieners informiert und die Frage gestellt hatte, was man dagegen tun konnte. Der Anwalt entschuldigte sich, aus Zeitgründen noch nichts dazu sagen zu können, und kündigte eine verbindliche Stellungnahme an. In Kürze, wie er betonte.
»Also, ich finde den neuen Spot toll«, meldete sich Florian zu Wort. »Viel großzügiger als ursprünglich vereinbart .«
Palinski blickte den jungen Freund an wie ein Kalb mit zwei Köpfen. »Was meinst du ?« , erwiderte er entgeistert. »Du findest den Spot gut? Ich habe mich wahnsinnig darüber geärgert. Wiener tut ja so, als ob er für jedes verkaufte Schnitzel 20 Cent an karitative Organisationen abführen wird. Dabei zahlt er ja nur für jedes ›Schnitzel à la Polska‹ .«
»In dem Spot sagt er aber etwas anderes«, widersprach Florian. »Vielleicht ist es ja nur ein Irrtum, aber so, wie die Botschaft rüberkommt, bedeutet das nach meinen Recherchen immerhin rund 40.000 bis 50.000 Euro für die Kinder. Man wird Herrn Wiener halt nur zwingen müssen, sich an seine eigenen Ankündigungen zu halten .«
Palinski konnte oder wollte es nicht glauben, wahrscheinlich beides. Auf jeden Fall legte er das Band mit der Aufzeichnung des Spots ein und lauschte mit besonderer Aufmerksamkeit. Und tatsächlich:
»Von jedem Schnitzel, das während der Fußball-EM, also bis zum 29. Juni, in einem unserer ›City-Beisln‹ verkauft wird«, das war tatsächlich eindeutig, eine Aussage ohne jede Einschränkung, »gehen 20 Cent an ›Kinder in Not‹ und andere Kinderhilfswerke. Also lasst euch das ›Schnitzel à la Polska‹ schmecken und helft gleichzeitig Kindern, denen es nicht so gut geht .«
Eine klare Sache, die abschließende Hervorhebung des ›Polska‹ änderte nichts an der auf den Gesamtabsatz bezogenen öffentlichen Auslobung durch Hektor Wiener. Die, und da war er sich ziemlich sicher, irrtümlich durch eine Verknappung des Textes zustande gekommen war. Denn der Fast-Food-Kapitalist war sicher nicht über Nacht zum Wohltäter mutiert.
Aber das war egal, Wiener sollte nur blechen. Immerhin traf es ja keinen Armen. Und er, Mario Palinski, würde schon dafür sorgen, dass sich dieser ›Schnitzelbrater‹ an seine Versprechungen hielt. Es war wirklich zu schön. »Gut gemacht, Florian«, lobte er seinen Mitarbeiter, »sehr gut sogar .« Dann stieg er beschwingt ins Auto und brach auf. An den Mondsee, seine Tochter holen.
* * *
Evelyn Immenseh, die nach dem Schock über den Tod ihres Mannes zwei Tage im Krankenhaus verbracht hatte, war nach ihrer Entlassung direkt zur Modenschau eines befreundeten Couturiers nach Genf gefahren, um sich ein geeignetes Modell für die Beerdigung auszusuchen. Kleider machten nun einmal Leute, und das galt auch für traurige Events.
Als sie heute Mittag in ihr Haus in St. Gallen zurückkehrte, wartete bereits die Polizei auf sie. Nach ihrer Verhaftung wurde sie nach Zürich gebracht, wo sie von Oberleutnant Beat Vonderhöh von der Kantonspolizei schon sehnsüchtig erwartet wurde.
Der war von Inspektorin Franca Wallner über den aktuellen Stand der Entwicklungen in Wien informiert worden und konnte der Immenseh daher den Mord an
Weitere Kostenlose Bücher