Baltasar Senner 03 - Busspredigt
gedrängt, sich Klarheit zu verschaffen?«
»Selbstverständlich, wo denken Sie hin. Aber in der Buchhaltung waren Lücken, es roch nach Manipulation. Deshalb habe ich auch die Staatsanwaltschaft informiert, die hat die Ermittlungen aufgenommen. Aber es gab zu wenig Beweise, es reichte nicht für eine Anklage.«
»Sie meinen gegen den Geschäftsführer Rufus Feuerlein.«
»Vordergründig ja. Aber in Wirklichkeit steckte wohl auch Anton Graf in der Sache. Jedenfalls war in den Jahren vor der Pleite systematisch Geld aus dem Unternehmen gezogen worden, es wurden Scheinrechnungen ausgestellt, und die Angra überwies dann auf Konten, die Herrn Graf zugerechnet wurden oder Personen gehörten, die ihm nahestanden.«
»Wie Barbara Spirkl.«
»Für einen Pfarrer kennen Sie sich bemerkenswert gut aus, Herr Senner. Genau, der Name dieser Dame tauchte auf den Belegen öfters auf. Es sieht so aus, als ob sie Herrn Graf als Strohmann oder besser Strohfrau gedient hatte, wenn Sie mir diesen Ausdruck gestatten. Auch die Rechte an dem Namen Angra oder an gewissen Editionen erwarb eine Privatfirma, hinter der Herr Graf stand. Diese Firma war von dem Konkurs nicht betroffen.«
»Meinen Sie die Rechte an Glaskünstlerserien?«
»Unter anderem. Die Namensrechte an Johann Helfer oder Nicolai Ravens und all den anderen Kreativen, die für die Firma arbeiteten. Die Künstler hatten ihre Rechte abgetreten und dafür viel Geld erhalten.«
»Und Herr Feuerlein war darin verwickelt?«
»Er hat als Geschäftsführer die Verträge unterschrieben. Es ist doch bemerkenswert, dass er trotz der Ermittlungen der Behörden keine Aussage zu Lasten von Graf gemacht hat. Und das, obwohl er von ihm über den Tisch gezogen wurde.«
»Wie das?«
»Durch die dubiosen Manöver hat Herr Graf zumindest einen kleinen Teil seines Vermögens retten können, obwohl das meiste bei der Pleite draufging. Feuerlein und seine Familie als Minderheitseigentümer haben jedoch alles verloren, was sie in die Firma gesteckt hatten. Und der Geschäftsführer stand in der Öffentlichkeit als Buhmann da, obwohl Graf im Hintergrund die Fäden zog und mindestens genauso viel Schuld an dem Niedergang der Angra trug wie Feuerlein.«
»Warum also hielt der Geschäftsführer dann den Mund?«
»Das ist leicht zu erraten: weil er vermutlich irgendwie dafür entschädigt wurde, vielleicht ein Gegengeschäft, Privatdarlehen von Graf beispielsweise, das nie zurückgezahlt zu werden brauchte, oder etwas in dieser Geschmacksrichtung. Da gibt es viele Möglichkeiten, die Außenstehenden nicht auffallen. Nur die beiden Betroffenen müssen sich einig sein.«
»Bei all den Schiebereien vergessen Sie die Angestellten«, sagte Baltasar. »Die waren die eigentlich Leidtragenden bei der ganzen Sache.«
»Wenn Sie es so betrachten wollen … Aber es stimmt, in der Konkursmasse blieb nicht viel übrig für einen Sozialplan, das ging zu Lasten der Mitarbeiter. Manche waren auf die Zahlungen dringend angewiesen. Ich kann die Wut der Menschen auf das Management verstehen. Nicht umsonst gab es die ganzen Proteste. Es war ein Wunder, dass alles friedlich ablief.«
»Vor allem, weil viele Angra-Beschäftigte danach überhaupt keinen Job mehr gefunden haben.«
»Arbeitsplätze sind ein generelles Problem im Bayerischen Wald, viele ziehen deswegen weg oder pendeln in andere Städte für ihre Jobs.«
»Hat Anton Ihnen erzählt, was er als Nächstes plante?«
»Er meinte nur, er wolle mit verschiedenen Leuten wieder Kontakt aufnehmen und mit ihnen neu verhandeln, er sagte, jetzt sei die Zeit reif dafür. Ich weiß nicht, was bei diesen Gesprächen herausgekommen ist.«
Baltasar holte die Fotos von den Kunstgegenständen und die Zeitungsausschnitte heraus und präsentierte sie dem Anwalt.
»Was halten Sie davon, Herr Doktor Schneider? Das sind Wertgegenstände, die früher in der Angra-Verwaltung und in Herrn Grafs Büro hingen und jetzt in seinem Haus aufgefunden wurden.«
Der Mann studierte die Fotos mehrere Minuten.
»Das ist wirklich frappierend! Es handelt sich eindeutig um dieselben Gemälde. Selbst der Kronleuchter … Was mich noch mehr überrascht, ist die Tatsache, dass es diese Wertsachen überhaupt gibt. Davon höre ich heute zum ersten Mal. Denn in den Vermögensaufstellungen, die wir nach der Insolvenz angefertigt haben, tauchen diese Gegenstände nicht auf. Und zwar deshalb, weil sie nirgends verzeichnet waren. Entweder waren die Gemälde schon so lange im Firmenbesitz, dass
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