Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Verabredung, Herr Eder.« Er drückte dem jungen Mann das Maßband in die Hand. »Weiterhin viel Erfolg mit Ihrer Unternehmung.«
Er brauchte was zu essen, und zwar in der »Einkehr«.
Auf dem Weg dahin verlangsamte er plötzlich unsicher werdend seine Schritte. Was sollte er zu Victoria sagen? Wie würde sie reagieren? Ihr letztes Zusammentreffen war anders gewesen als sonst, und er war sich nicht sicher, wie sie es wahrgenommen hatte. Er gestand sich ein, dass er nicht den Mumm hatte, sie darauf anzusprechen.
Die Gaststube war etwa zur Hälfte gefüllt. Er nahm einen Platz am Fenster und studierte die Speisekarte. Vom Tisch gegenüber winkte Xaver Wohlrab ihm zu. Der Bürgermeister saß mit zwei Herren zusammen, die Baltasar nicht kannte, vermutlich waren es die Investoren für das Altersheim. Er grüßte zurück, hatte aber nicht die geringste Lust, sich zu dem Trio zu gesellen.
Eine Bedienung kam und fragte nach seinen Wünschen. Sie musste neu sein, er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Er gab seine Bestellung auf und erkundigte sich nach Victoria.
»Die ist nicht da«, antwortete die Kellnerin.
»Wann kommt sie denn wieder?«
»Ich weiß es nicht, ich bin hier nur die Aushilfe. Frau Stowasser sagte was von Erledigungen und dass es länger dauern würde.«
»Hat sie eine Nachricht für Herrn Senner hinterlassen?«
»Herrn wer? Nein, sie hat nur gesagt, dass, wenn sie bis zum Abend nicht zurück ist, ich schon mal die Abrechnung machen soll.«
»Gut. Dann richten Sie ihr doch bitte schöne Grüße von Herrn Senner aus. Der bin ich.«
Baltasars Laune war augenblicklich gesunken. Wollte Victoria ihn nicht mehr sehen? War ihr Ausflug nur eine Ausrede? Er schlang sein Essen hinunter, zahlte und wollte gerade wieder gehen, als der Bürgermeister ihn am Arm zurückhielt.
»Herr Senner, machen Sie mir die Freude? Darf ich Sie meinen Geschäftspartnern vorstellen?« Wohlrab zog ihn zu dem Tisch.
Baltasar fügte sich in sein Schicksal und begrüßte alle reihum mit Handschlag, vermied es jedoch, sich zu setzen.
Der Bürgermeister hob Baltasars Arbeit in der Gemeinde hervor, völlig übertrieben, wie Baltasar fand, er pries die Weitsicht und die unternehmerische Denkweise der Herren, deren Idee einer Seniorenresidenz einzigartig sei. Baltasar wurde übel bei so viel Lobhudelei, und unter einem Vorwand verabschiedete er sich.
Zurück ins Pfarrheim wollte er nicht. Schon die Vorstellung von dem Chaos in seiner Küche wirkte wie eine Stimmungsbremse. Er beschloss, die Nachforschungen über den Tod seines Nachbarn fortzusetzen – den Ermahnungen der Kommissare zum Trotz. Vor allem wollte er schneller sein als die Beamten aus Passau, denn es war nur eine Frage der Zeit, bis sie Grafs seltsame Bankverbindung überprüfen würden.
Und er hatte immerhin einen Vorsprung: Sein Freund Philipp hatte Adresse und Telefonnummer der Kontoinhaberin Barbara Spirkl schon herausgefunden. Baltasar meldete sich telefonisch bei der Unbekannten an, er erklärte ihr in aller Kürze, worum es ging. Die Frau war bereits im Bilde, sie sagte, ihre Bank habe sie schon über einen Herrn Senner informiert und er solle einfach vorbeikommen.
*
Barbara Spirkl wohnte im ersten Stock eines renovierten Bürgerhauses in der Altstadt von Regensburg, unweit des historischen Rathauses. Sie war Mitte 40, gepflegtes Äußeres, dezent geschminkt, der Kurzhaarschnitt gab den Blick auf ein Paar Smaragdohrringe frei. Dazu trug sie die passende Halskette, deren Wert wohl dem mehrfachen Monatslohn der meisten Angestellten entsprach.
»Herr Senner? Kommen Sie herein.«
Baltasar stellte sich vor und folgte ihr ins Wohnzimmer. Die Gastgeberin bot ihm einen Platz auf einem Sofa an, das er als Möbel aus der Biedermeierzeit identifizierte. Der Raum war vollgestellt mit Antiquitäten, auf dem Parkettboden lagen Orientteppiche, Ölgemälde hingen an den Wänden, eine Vitrine war gefüllt mit Porzellanfiguren, die vermutlich in Meissen hergestellt worden waren. Auf dem Beistelltisch standen Glasskulpturen, Mann und Frau in inniger Umarmung, moderne Machart.
»Murano?«, fragte Baltasar, um das Schweigen zu brechen.
»Bayerischer Wald«, antwortete Barbara Spirkl. »Viele kennen nur die Objekte aus venezianischem Glas und unterschätzen dabei die Qualität der Künstler aus unserer Region. Deren Werke sind absolut ebenbürtig mit den Leistungen der Glasgestalter aus anderen Teilen der Welt. Dagegen ist Murano nur noch Touristenramsch.«
Baltasar musste an
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