Baltasar Senner 03 - Busspredigt
aber Baltasar hatte dennoch Zweifel. Es war höchst ungewöhnlich, einem Freund, selbst einem guten Freund, so hohe Beträge zu schenken und Blankoschecks zu akzeptieren.
»Sie sprachen von seiner aktiven Zeit. Was meinen Sie damit?«
»Ich dachte, das wüssten Sie, Hochwürden. Anton gehörte früher eine Glasfabrik im Bayerischen Wald, die Angra Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mit Hauptsitz in Zwiesel. Sagt Ihnen der Name was?«
Baltasar konnte sich erinnern, Angra war ein Markenname für Haushaltsglaswaren.
»Wissen Sie, Herr Senner, Angra setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der beiden Namen Anton und Graf, ganz einfach.«
Baltasar war erschüttert. Warum hatte sein Nachbar ihm nie etwas davon erzählt?
»Wie groß war seine Firma denn?«
»In den besten Zeiten waren 250 Menschen beschäftigt. Die Firma hatte einen guten Ruf weit über die Region hinaus. Dann gingen die Geschäfte immer schleppender, und Anton zog sich aus dem Unternehmen zurück. Den Markennamen verkaufte er an die Konkurrenz.«
»Und als Privatier zog er zu uns in die Gemeinde. Aber er hat niemandem je etwas über seine Vergangenheit erzählt.«
Die Wahrheit ist aber auch, dachte Baltasar, dass ihn niemand danach gefragt hatte.
»Mit seinem früheren Leben hatte er abgeschlossen. Es war für ihn schmerzhaft zu sehen, wie sein Lebenswerk in fremde Hände ging. In gewisser Weise hatte er versagt, weil er sein Unternehmen nicht aus eigener Kraft weiterführen konnte.«
»Seltsam. Natürlich kenne ich die Angra-Glaswaren, aber der Name Anton Graf ist mir dabei nie untergekommen. Auch in der Zeitung habe ich nie etwas darüber gelesen. Aber vielleicht auch nur, weil ich mich für solche Themen nicht besonders interessiere.«
»Kein Wunder.« Barbara Spirkl stand auf und brachte eine Schale mit Pralinen. »Die müssen Sie probieren, Herr Senner, frisch gemacht und original aus Regensburg.« Sie schob ihm einen Teller hin. »Wo waren wir stehengeblieben? Ja, Anton Graf war nicht in der Geschäftsleitung tätig, sondern er war der Mehrheitsgesellschafter. Ihm gehörten mehr als 90 Prozent der Anteile an der GmbH.«
»Wer leitete dann die Firma?«
»Sie haben ihn bereits kennengelernt. Der Geschäftsführer war Rufus Feuerlein. Später übernahm der die Leitung der Schule.«
Also hatte Baltasar sich nicht getäuscht. Feuerlein war am Grab seines Nachbarn gewesen, und jetzt war er sich auch sicher, dass die beiden anderen Kehrmann und Manrique alias Helfer gewesen waren.
»Und welche Verbindung bestand zwischen Anton und dem Künstler und dem Glasbläser der Schule?«
»Ich glaube, Kehrmann war in der Firma tätig, aber genau weiß ich das nicht, dort arbeiteten wie gesagt Hunderte von Menschen. Sie sollten ihn am besten selber fragen. Und Hannes, der hat ein paar Kollektionen für die Angra GmbH entworfen.«
Baltasar schob sich eine Praline in den Mund. Nougat mit Zimt. Verführerisch, diese Dinger. Er musste sich beherrschen, nicht gleich wieder zuzulangen.
»Mir ist noch nicht klar, Frau Spirkl, wie Sie mit alldem im Zusammenhang stehen. Hatten Sie geschäftlich mit Anton zu tun?«
»Ja, sozusagen. Er gab mir die Chance, mich an der Angra zu beteiligen. Es waren weniger als zwei Prozent der Firmenanteile, aber immerhin war ich dadurch Mitgesellschafterin. Kurz bevor Anton ausstieg, habe ich meinen Anteil wieder verkauft – mit gutem Gewinn.«
»Wer hat Ihren Anteil gekauft?«
»Eine Familiengesellschaft, die bereits Minderheitsgesellschafterin war. Diese Gesellschaft gehörte mehreren Personen, die untereinander verwandt waren. Ihr Sprecher war Rufus Feuerlein.«
»Demnach war der Schulleiter nicht nur Manager, sondern indirekt auch Mitbesitzer der Glasfabrik. Ist diese Familiengesellschaft noch aktiv?«
»Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht. Nachdem ich ausbezahlt wurde und Anton ebenfalls raus aus dem Geschäft war, habe ich mich anderen Dingen gewidmet. Das Kapitel war für mich abgeschlossen.«
»Und wie standen Sie persönlich zu Anton Graf?«
»Wir waren gut befreundet. Deshalb war ich auch so schockiert, als ich von dem Mord in der Zeitung las. Ich habe ihn in der Vergangenheit mehrmals besucht, er hatte sich ein schönes Haus gekauft …«
»… in unserer Gemeinde direkt neben dem Pfarrhof …«
»… und nur mehr privatisiert. Ein Rentner gewissermaßen. Ich glaube, er war in seiner Zurückgezogenheit zufrieden, obwohl er immer wieder auch davon sprach, nochmals
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