Balthazar: Roman (German Edition)
im Leben hatte, wenn man es tatsächlich vermisste, Pferdeäpfel wegzukarren.
Skye stöhnte und presste sich kurz das Kopfkissen aufs Gesicht. Sie hätte sich jetzt lieber dem Angriff eines Vampirs als der Darby Glen High School ausgesetzt.
Sie hatte geglaubt, dass der erste Tag an der Darby Glen High schlimm werden würde, aber es stellte sich heraus, dass sie zu optimistisch gewesen war.
Irgendein Mädchen, das sie in der Mittelstufe kaum gekannt hatte – Kristin? Kirsten? –, würdigte Skye kaum eines Blickes, als sie bemerkte: »Sieht aus, als ob da jemand aus seiner Angeber-Schule rausgeflogen wäre. Wieder zurück beim einfachen Volk? Muss ganz schön ätzend sein.«
»Meine Schule ist … abgebrannt«, sagte Skye, die das Gefühl hatte, diese Umschreibung käme der Formulierung ist in einer Geister-Apokalypse untergegangen am nächsten, wobei sie Letzteres schlecht sagen konnte, ohne als verrückt abgestempelt zu werden. Zu spät dämmerte ihr, dass sie nur einen Teil der Bemerkung berichtigt hatte, was den Eindruck erweckte, dass der Rest wahr wäre – dass sie also auf die Darby Glen High und ihre Schüler herabschauen würde. Ob das alle glaubten? Vermutlich.
Jeder Flur war mit den Fotocollagen von verschiedenen Abschlussklassen geschmückt, und zufälligerweise schaute Skye genau in dem Moment nach oben, als sie an Dakotas Jahrgang vorbeikam. Da stand er in seinem Smoking und lächelte ihr sorglos entgegen. Er war auf dem Foto im gleichen Alter wie sie jetzt gewesen. Zum ersten Mal dachte sie daran, dass sie irgendwann älter sein würde als Dakota zu dem Zeitpunkt, als er starb.
Ich hole dich noch ein !, hatte sie mit ihm an ihren Geburtstagen gescherzt, wenn sie für kurze Zeit nur drei anstatt vier Jahre jünger war. Siehst du, ich komme immer näher ! Jetzt fand sie diesen Gedanken überhaupt nicht mehr komisch.
Rasch sah Skye wieder weg und verdrängte Dakota, so gut es ging, aus ihren Gedanken.
Dann stellte sie fest, dass man ihr ein Schließfach ganz unten mit einem kaputten Schloss zugeteilt hatte. Na, ganz toll. Nachdem sie geschlagene fünf Minuten, wie es ihr schien, damit gekämpft hatte, bekam sie es endlich auf, stopfte alle ihre Bücher außer jenen, die sie für die ersten beiden Fächer brauchte, hinein und richtete sich wieder auf, wo sie sich mit einem Mal Craig Weathers gegenübersah.
Er war mehr als zwei Jahre lang ihr fester Freund gewesen, ehe er sie vor drei Monaten sitzen gelassen hatte. Jetzt hatte er einen Arm um seine neue Freundin geschlungen, Britnee Fong. Das Mädchen, dessentwegen er mit ihr Schluss gemacht hatte.
Skye kam es so vor, als habe ihr jemand einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet; Entsetzen und ein Gefühl der Demütigung überrollten sie mit vereinten Kräften und ließen sie wie angewurzelt stehen bleiben. Craig sah umwerfend wie immer aus: groß und schlank, mit vollen Lippen und tollen Augen; seine dunkle Haut hob sich warm von dem weißen Sweatshirt ab, das er unter seiner Lederjacke trug. Jeder Zentimeter von ihm war ihr vertraut – nur allzu vertraut. Es war Britnee, die sie wirklich überraschte. Sie war erst hierhergezogen, nachdem Skye in Richtung Evernight aufgebrochen war, und die Fotos, die sie bei Facebook eingestellt hatte, zeigten frustrierenderweise allesamt ihre Katze. Britnee war sogar noch süßer, als sie befürchtet hatte: modisch gekleidet im Boho-Look, mit einem Pixie-Haarschnitt, der ihr Gesicht perfekt umrahmte, und in Stiefeln mit den klobigen Absätzen, mit denen Skye im Stillen schon seit Wochen liebäugelte. Britnee war ein bisschen fülliger, als Skye es sich vorgestellt hatte, aber die Pfunde saßen an den richtigen Stellen, nämlich an den Brüsten und am Hintern. Auch wenn sich ein Mädchen über ihr Gewicht dort beklagen mochte, ein Junge störte sich ganz gewiss nicht daran.
Es wäre schon schlimm genug gewesen, wenn Skye es geschafft hätte, sich rechtzeitig wegzuducken, ehe die beiden sie entdeckten, aber es gelang ihr nicht. Craig blieb abrupt stehen, und Britnee sah verdutzt zu ihm hoch, ehe sie Skye musterte und »Ohhh«, sagte, als hätten die beiden überhaupt nicht damit gerechnet, dass sie heute auftauchen würde. Das wäre allerdings das erste Mal, dass die Gerüchteküche in Darby versagt hätte.
Craig grinste sie an, was aber nur ein dünner Abklatsch von seinem sonstigen, schönen Lächeln war. »Skye. Hey.«
»Hey.« Sie stützte sich ihre Bücher auf die Hüfte, sah an ihm vorbei
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