Balthazar: Roman (German Edition)
tasteten den Raum ab, als wäre er Mitglied eines Sondereinsatzkommandos auf der Suche nach Waffen.
Dann schrieb der Lehrer seinen Namen an die Tafel: STERLING LOVEJOY . Er war so furchteinflößend, dass sich niemand zu lachen traute. Keiner wagte auch nur ein Grinsen. Von diesem Typen wollte man auf keinen Fall dabei erwischt werden, wie man schnell mal während des Unterrichts eine SMS tippte.
Anschließend ging der ganz normale, öde Highschool-alltag los, und Skye merkte, wie sie sich ein bisschen entspannte, vor allem, als sich herausstellte, dass sie in ihrem Mathekurs überhaupt niemanden kannte und sich in Ruhe ganz nach hinten setzen und für sich sein konnte.
Nun gut, sie würde also die erste Stunde jeden Tag mit Craig und Britnee verbringen. Sie musste ja nicht in ihrer Nähe sitzen oder mit ihnen sprechen, und sie hatte bereits eine neue Freundin gefunden, die sie ein bisschen ablenken würde, also war alles in Ordnung. Vielleicht hatte sie ja Glück, und die beiden würden ihr in keinem anderen Kurs begegnen. Einige Leute hatten es sich in den Kopf gesetzt, dass sie eingebildet war, aber sie würde sie schon bald vom Gegenteil überzeugen. Hoffentlich jedenfalls.
Wie auch immer: Die Highschool würde nicht mehr ewig dauern. Manchmal kam einem das zwar so vor, aber seit sie zugesehen hatte, wie ihre alte Highschool im Feuersturm in sich zusammenfiel, musste Skye immer wieder daran denken, wie kurzlebig letztendlich alles war. Fünfeinhalb Monate: Das würde sie schon aushalten. Jedenfalls dann, wenn sie währenddessen nicht noch einmal von Vampiren angegriffen würde.
Als es zur dritten Stunde klingelte, musste sie auf ihrem Stundenplan nachsehen, was sie als Nächstes hatte: Menschliche Anatomie und Sexualkunde bei Miss Loos. Skye dachte trocken, dass sie sich alles Wichtige über Sex bereits selbst beigebracht hatte, auch wenn ihr das wenig genützt hatte, aber was sollte es? Sie trat ein und sah, dass auch Craig und Britnee in diesem Kurs saßen.
Na super. Sie würde sich also über Sex aufklären lassen müssen, während sie dabei zusah, wie der einzige Junge, mit dem sie je geschlafen hatte, mit dem Mädchen herumflirtete, mit dem er jetzt Sex hatte.
Aber erst nachdem der Unterricht begonnen hatte, wurde Skye klar, wie schlimm es tatsächlich war. »Wir befassen uns ab jetzt mit sensibleren Themen«, sagte Miss Loos. Sie war eigentlich ganz attraktiv, jedenfalls für eine Lehrerin, mit ihrem blonden Haar und ihrer Bluse im Leopardenmuster, und sie hockte auf der Kante ihres Schreibtischs, als wäre ihr nicht bewusst, dass ihr in dieser Pose die Jungen auf die Beine starrten. »Die meisten von Ihnen unterrichte ich nun schon das ganze Jahr, und ich weiß, dass Sie erwachsene Schüler sind. Also verlasse ich mich darauf, dass Sie alle Ihr bestes Benehmen an den Tag legen werden.«
Der Hausmeister kommt herein, das Gesicht aschfahl, der Blick unstet. Irgendetwas läuft entsetzlich falsch, aber er begreift es noch nicht. Er denkt, er sei einfach nur müde, müde davon, hinter den dummen Schülern herzuräumen, müde davon, den Besen zu schwingen, bis auf die Knochen müde.
Aufhören! , sagte Skye zu sich selbst.
Schmerz durchfährt ihn von seiner Brust hinunter bis zu seinem Bein, seinen Arm entlang. Er öffnet den Mund zum Schrei, aber seine Lunge nimmt keine Luft auf. Ersticken tut weh. Die Blutgefäße in seinen Augen beginnen zu platzen .
»Sie da hinten?« Miss Loos starrte Skye an, die erst in diesem Augenblick bemerkte, dass der Rest der Klasse sie ebenfalls anglotzte. Sie hatte die Platte ihres Tisches umklammert, als wäre dies ihr Rettungsring in stürmischer See, und noch immer konnte sie die Todesqualen des Hausmeisters spüren. Sie konnte ihn sehen, wie er hinter Miss Loos auf die Knie sank, anwesend und gleichzeitig auch nicht anwesend. »Gibt es ein Problem?«
Skye schluckte krampfhaft und versuchte, ihre Aufmerksamkeit wieder aufs Hier und Jetzt zu konzentrieren. »Nein, Ma’am.«
Miss Loos verschränkte die Arme, und ein Lächeln umspielte ihre dunkel umrandeten Lippen. »Wenn es Ihnen Schwierigkeiten bereitet, über Sex zu reden, dann kommen Sie doch nachher zu mir, in Ordnung?« Einige Schüler begannen zu kichern, und Skye wurde rot. Sie kam nicht gegen das Gefühl an, dass es Miss Loos eher darum gegangen war, einen Scherz auf ihre Kosten zu machen, als dass sie ihr wirklich Hilfe hatte anbieten wollen. Toll.
Ihr konnte auch nicht entgehen, dass Craig jetzt stur auf
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