Balthazar: Roman (German Edition)
lag. »Ich gehe rauf und ins Bett.«
Ihr Vater lächelte ihr abwesend zu. »Du bist ein gutes Mädchen, Skye.« Wir sind so zufrieden mit dir, weil du das Thema fallen lässt. Siehst du, wie leicht es ist, die ganze Sache unter den Tisch zu kehren? »Träum was Schönes.«
Kaum dass sie allein in ihrem Zimmer war, machte sich Skye an die Arbeit. Sie holte ihren größten Koffer hervor und begann, ihn zu packen. Doch schon kurz darauf stellte sie ihn wieder weg und holte stattdessen die Satteltasche, die sie gewöhnlich auf lange Ausritte mitnahm. Sie stopfte einige Kleidungsstücke zum Wechseln hinein, ein paar Toilettenartikel und das Bild von ihr und Dakota beim Wildwasserrafting.
Dann fiel ihr Blick auf ihr Handy, das noch immer da lag, wo sie es vor Stunden hingeworfen hatte. Balthazars Nachrichten waren inzwischen schon einige Stunden alt, aber es gab auch neue Eingänge von Clem:
»Bist du da?«
»Okay, ich weiß, dass du zu tun hast, aber schreib mit auf jeden Fall zurück. Ich werde verrückt vor Sorge um dich.«
»Skye?«
Rasch tippte Skye ein paar Worte: »Ich bin in Sicherheit. Aber diesmal war es knapp. Erzähle dir den Rest später.« Dann zögerte sie einen Moment und fügte hinzu: »Hab dich lieb.« Das war ganz schön emotional, aber Skye hatte das Gefühl, dass sie heute lieber zu viel als zu wenig sagen wollte. Dakota hatte völlig recht: Man konnte diese Worte gar nicht oft genug sagen.
Skye schaute sich noch einmal in ihrem Zimmer um, sah ihre Trophäen von Reitturnieren und machte mit ihrem Handy ein Foto davon, ehe sie es in ihre Manteltasche schob. Auf diese Weise würde sie es sich wenigstens noch manchmal angucken können. Dann stand sie am Fenster ihres Schlafzimmers und wusste, dass das Licht ihre Silhouette nachzeichnete, sodass jeder, der von draußen im Dunkeln hinaufsähe, sie beobachten könnte.
Balthazar.
Skye schaltete das Licht aus und wartete. Innerhalb weniger Augenblicke hörte sie ein Schaben an der Rinde des Baumes vor ihrem Fenster, und ihr Atem beschleunigte sich, als sie daran dachte, es könnte vielleicht nicht … Aber er war es. Balthazar tauchte vor ihrem Fenster auf und klammerte sich mit seiner nichtmenschlichen Kraft und Geschicklichkeit an einem Ast fest. Skye schob das Fenster nach oben und ließ ihn hereinklettern.
Er flüsterte: »Unten ist das Licht noch an.«
»Vermutlich hören sie sich die Nachrichten an, um herauszufinden, wie die Abstimmung ausgegangen ist.« Skye machte sich nicht die Mühe, die Stimme zu senken. Selbst wenn sie sie hören könnten, würden sie nicht zuhören. »Balthazar, du hattest recht. Ich muss Darby Glen verlassen.«
Einen Augenblick musterte er sie und fragte sich zweifellos, wie ernst es ihr damit war. Sie wusste, dass er sie verstand; er würde sofort sehen, dass sie fest entschlossen war. Leise fragte er: »Deine Eltern haben dir nicht geglaubt?«
»Ich bin gar nicht dazu gekommen, ihnen die Wahrheit zu erzählen. Kaum hatte ich die Sprache auf Dakota gebracht, haben sie einfach dichtgemacht. Wie immer.« Enttäuschung stieg in ihr auf, doch sie kämpfte gegen die Tränen an. Sie hatte in dieser Nacht schon zu viel durchgemacht, um sich jetzt gehen zu lassen. »Ich muss den Mut aufbringen herauszufinden, wie ich meine Gabe einsetzen kann, um Dakota wiederzutreffen. Und dazu muss ich allein sein. Ich kann es nicht tun, solange ich mit meinen Eltern zusammen bin. Sie würden mich nicht meinen Weg gehen lassen.«
Balthazar streichelte ihr mit der Hand übers Gesicht, und sein Daumen zeichnete ihren Wangenknochen nach. »Bist du dir ganz sicher, Skye? Ich glaube, du hast recht, aber … es geht nicht darum, was ich denke. Wenn du nicht absolut fest entschlossen bist, dann wirst du deine Entscheidung am Ende bereuen.«
Skye nickte. »Ich bin fest entschlossen. Ich meine, ich werde sie schon wissen lassen, dass ich weg bin und dass es mir gut geht. Aber irgendwie glaube ich, dass sie sich nicht allzu viele Sorgen machen werden.«
»Das tut mir leid«, sagte Balthazar, und sie hörte an seiner Stimme, wie ernst er es meinte.
»Mir auch«, gestand sie, doch dann lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die unmittelbar bevorstehenden Entscheidungen. »Also, um meiner selbst willen und um die Stadt zu schützen, muss ich so schnell wie möglich aus Darby Glen verschwinden. Das bedeutet: noch heute Nacht. Ich habe alles, was ich brauche, in diese Satteltasche gepackt. Wir können zum Haus der Findleys hinüberreiten und
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