Balthazar: Roman (German Edition)
den Flur hinunter und versuchte unmissverständlich deutlich zu machen, dass sie eigentlich gerade ganz woanders sein sollte. Auf jeden Fall irgendwo anders als hier.
»Hm, hey? Ich bin Britnee?« Großartig. Britnee Fong war also eines jener Mädchen, die jeden einzelnen ihrer Sätze so aussprachen, als ob es sich dabei um eine Frage handelte. Jetzt war Skye sich endgültig sicher, dass Britnee sowohl nervtötend als auch ein Hohlkopf war. »Ich habe eine Menge beeindruckende Dinge über dich gehört?«
Oh, also lobte Craig seine Exfreundin seiner neuen Freundin gegenüber. Ziemlich klasse. »Wie nett. Wir sehen uns dann ja noch.« Skye lief an ihnen vorbei zu ihrem ersten Kurs – zumindest dorthin, wo sie ihren ersten Kurs vermutete. Das Summen in ihrem Kopf rührte teils vom Zorn her, teils vom Schmerz, und es erstickte den Lärm auf dem Flur rings um sie herum.
Na, wenigstens bist du hier in Sicherheit , sagte sie sich selbst, als sie an die letzte Nacht im Schnee dachte und an das seltsame Lächeln des Vampirs, als er sie beobachtete. Aber auch das war nicht gerade ein Trost.
In der ersten Stunde hatte sie ihr Spezialfach Kolonialgeschichte, was bedeutete, dass in dem Raum, in dem der Kurs stattfand, auch die Anwesenheit überprüft werden würde. Sie versuchte, sich in dem Schulgebäude zurechtzufinden, aber von überall her schlug ihr die gleiche Langeweile entgegen. Immerhin hatte sie zweieinhalb Jahre auf der Evernight-Akademie zugebracht, einem jahrhundertealten Steingebäude mit Buntglasfenstern, Geländern aus geschnitztem Holz und gewölbten Decken. Dies mochte der Grund dafür sein, dass Skye Darby Glen so hässlich fand und sich fragte, ob es mit Absicht so gebaut worden war, damit die Schule unweigerlich eine Strafe für ihre Schüler war. Die Wände aus Betonblöcken waren mit Bildern bemalt, die lange nicht aufgefrischt worden und von vorneherein nicht sonderlich kunstfertig gewesen waren. Die Schließfächer hatten die Farbe von Asphalt und sahen so aus, als ob sie eher in ein Gefängnis denn in eine Schule gehörten; die Decken waren niedrig, und Neonlicht strahlte grell von ihnen herunter: Jedes einzelne Detail war niederdrückend.
Als sie die Mittelschule nebenan besucht hatte, war ihr alles gar nicht so schlimm vorgekommen, obwohl es ein identischer Bau war. Aber nach Evernight …
Nach einer Schule, die voller Geister steckte? Und voller Vampire?, rief sich Skye ins Gedächtnis . Du solltest lieber dankbar für ein wenig Normalität sein, selbst wenn sie öde ist . Vielleicht könnte sie das alles als eine erholsame Abwechslung sehen … jedenfalls nach einer Weile.
Endlich, nur ein paar Minuten, bevor die Namen der Anwesenden vorgelesen wurden, fand sie ihren Klassenraum. Craig und Britnee waren bereits dort und saßen in der ersten Reihe nebeneinander. Natürlich. Skye gelang es, jeden weiteren Augenkontakt mit den beiden zu vermeiden, während sie sich hastig an einen Tisch ganz hinten schob.
Ein Mädchen mit langen, roten Locken, das vor ihr saß, drehte sich zu ihr um und flüsterte: »Hey, was war das für eine dramatische Szene?«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete Skye.
»Du und Craig und Britnee? Ich habe gesehen, wie ihr euch im Flur voreinander aufgebaut habt. Es war wie im Western, wenn es zum Duell kommt oder so.«
Zwar ging die ganze Sache dieses Mädchen überhaupt nichts an, aber bei der Beschreibung musste Skye unwillkürlich lächeln. So, wie der Tag bislang verlaufen war, hatte sie ein Lächeln dringend gebraucht.
»Craig und ich waren mal ein Paar. Er hat mich wegen Britnee abserviert. Seitdem haben wir uns nicht mehr wiedergesehen, das ist alles.«
»Oh, dann bist du also Skye.« Das Mädchen nickte, als wäre sie zufrieden mit der Feststellung. Offenbar funktionierte der Flurfunk der Darby Glen doch noch ganz gut. »Ich bin übrigens Madison Findley. Wir sind letzten Sommer hierhergezogen. Hör mal, wenn du je Unterstützung brauchst, was deinen Ex oder diese fettliche Kuh, mit der er jetzt herumhängt, angeht, dann sag mir Bescheid, okay?«
Britnee war keine Kuh, aber Skye war klar, dass Madison sie nur ein bisschen hatte aufmuntern wollen, und tatsächlich war es ihr gelungen. »Danke.«
Das Gerede im Klassenzimmer verstummte, als der Lehrer eintrat – ein Mann, der fast zwei Meter groß und fast ebenso breit war. Sein krauser Bart war schuld, dass es so aussah, als ob sein Unterkiefer wie bei einer Bulldogge hervorrage. Seine dunklen Augen
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