Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
Vom Netzwerk:
seiner ersten Angetrauten, war er inzwischen nur noch froh, dass sie gegangen war. Sie war tatsächlich eine Fehlentscheidung gewesen. Aber Hanna …? Was war nur in sie gefahren? Und dann nur so ein kleiner Zettel auf dem Frühstückstisch: »Ich gehe!«
    Keine Erklärung, keine Diskussion, noch nicht einmal ein Streit. Und er stand jetzt da, allein mit all seinen Plänen und seiner Lust, sie zu umsorgen. Doch das genau wollte sie ja nicht; es enge sie ein, sie könne nicht mehr atmen. Aber wie machte man das: jemanden lieben, ohne sich um ihn zu sorgen? Wie konnte man jemandem nahe sein, ohne ihn festzuhalten?
    Diese Kunst beherrschte er einfach nicht.
    Es musste doch irgendeine Frau geben, die es gernhatte, behütet zu werden. Doch er wollte ja gar nicht irgendeine Frau, er wollte Hanna. Hanna mit ihrem Lachen und dieser Aura von Lebensfreude, die ihre Umgebung leuchten machte. Hanna mit ihrer neugierigen Intelligenz und ihrer Flut unerwarteter Fragen. Hanna mit ihrer wilden roten Mähne und jener kleinen zarten Kurve zwischen Ohr und Wange, in die er sich als Erstes verliebt hatte. Hanna mit ihrer Lust an unanständigen Witzen und ihrer noch größeren Lust an unanständigem Sex, die ihn völlig überwältigt hatte. Hanna, die immer unpünktlich kam und ständig Dinge verlor und nie ein Taschentuch hatte und regelmäßig etwas anbrennen ließ und ihn mit ihrer Unordentlichkeit wahnsinnig machte. Hanna eben.
    Scheißzahnpastatube! Sie könnten ja zwei getrennte Zahnpasten kaufen, auch wenn er genau wusste, dass sie seine benutzen würde, wenn ihre verstopft war. Und er könnte ihr versprechen oder besser noch: es vertraglich mit ihr ausmachen, dass er zehn Stunden lang nicht anrufen würde, wenn sie fort war. Obwohl, zehn Stunden waren zu lang, fünf Stunden oder, nun, sieben Stunden lang würde er sich einfach nicht melden.
    Diesem heroischen Plan stand nur die Tatsache entgegen, dass er sich momentan überhaupt nicht melden konnte. Sie rief nicht nur nicht an, sie war einfach gar nicht erreichbar. Sie ging nicht ans Telefon, nicht in der Wohnung, nicht in ihrem Büro, nicht auf dem Handy. Aber er würde nicht aufgeben. Diesmal würde er kämpfen, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Als Erstes würde er zehn Zahnpastatuben kaufen und sie in einen Blumenstrauß binden lassen und damit so oft bei ihrem Häuschen auftauchen, bis sie ihn hereinließ. Sachen, über die sie lachen musste, hatte sie noch nie widerstehen können. Die Idee wischte das erste Mal an diesem Tag die Runzeln auf seiner Stirn fort.
    Entschlossen holte er seinen Blick von den Kastanien und den rot-weißen Baken, die seit einem Jahr eine unrührige Baustelle auf dem Wilhelmsplatz bewachten, auf seinen Schreibtisch zurück, öffnete seinen Füller und begann zu unterschreiben. Aber schon die dritte Akte holte den verdrossenen Ausdruck auf sein Gesicht zurück.
    Es war der Schlussbericht über den Mord im »Haus am Nonnengraben«. Der Mörder war inzwischen längst verurteilt, aber die rätselhaften Vorgänge um die Stiftung Rothammer hatten nie geklärt werden können. Benno knirschte mit den Zähnen, wenn er daran dachte, dass er den beiden Hauptakteuren, Stadtdirektor Bolz und Rechtsanwalt Böschen, Manipulationen mit den Stiftungsgeldern trotz aller Bemühungen nicht hatte nachweisen können. Dabei stank es so gewaltig, dass er …
    Benno seufzte abgrundtief. Inzwischen war der Stadtdirektor mit allen Ehren in den Ruhestand verabschiedet worden, und Böschen lebte mit seiner dritten Frau auf Mallorca. Die Stiftung war mangels ausreichenden Kapitals aufgelöst und das »Haus am Nonnengraben« verkauft worden. Aus dem Erlös wurde jährlich ein Preis für junge Künstler ausgelobt. Mit einem weiteren wütenden Seufzer unterschrieb Benno den Schlussbericht und klappte resigniert den Aktendeckel zu. Dann zog er seinen Talar an und begab sich in den Sitzungssaal, in dem die nächste Verhandlung stattfand.

7
    Das Stühlerücken verebbte, als Dienststellenleiter Günter Hanfstängl aufstand, um die erste Zusammenkunft der Sonderkommission »Hainmord« zu eröffnen. Wie üblich bei derartigen Gelegenheiten begann er mit einem langen Räuspern, und wie üblich öffnete sich in diesem Moment die Tür, und Polizeihauptmeisterin Ilse Kasinski huschte herein, sah sich

Weitere Kostenlose Bücher