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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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wichtigsten Tricks, er nahm ihn vor seinem Vater in Schutz, auch wenn er selbst dafür Prügel bezog. »Man muss das Gras nur fest zwischen die Finger spannen, so, und dann draufblasen.«
    Aber der Halm gab keinen Laut von sich, sondern schnitt Franz, als der es besonders angestrengt versuchte, in die Unterlippe.
    Â»Du blutest«, rief Hans erschrocken aus.
    Franz leckte den Tropfen weg.
    Â»Es schmeckt komisch.« Er runzelte die Stirn. »Wie … wie Geld.«
    Â»Hm?«
    Â»Ich habe doch mal einen Pfennig von dir weggezaubert. Den habe ich in den Mund gesteckt. Und der hat ganz ähnlich geschmeckt.«
    Hans kicherte. »Du hast ihn damals fast verschluckt. Es blutet immer noch. Gib acht, dass du nicht auf dein Hemd tropfst, sonst haut dich dein Vater wieder.«
    Franz wischte mit dem Zeigefinger über seine Lippe, betrachtete nachdenklich den Blutstropfen auf der Fingerkuppe und hielt ihn plötzlich entschlossen seinem Freund hin.
    Â»Leck ab«, drängte er, »dann sind wir Blutsbrüder!«
    Â»Blutsbrüder, was ist denn das?«
    Â»Hat Wilhelm mir erzählt. Von den Indianern. Wenn man sein Blut tauscht, dann ist man noch mehr als Freunde, dann ist man wie richtige Brüder und muss für immer zusammenhalten.« Und obwohl es ihm ein bisschen eklig war, leckte Hans gehorsam das Blut ab.
    So wurden sie Blutsbrüder, Franz und Hans.
    Kunigunde war immer wieder fasziniert von der Farbigkeit dieser kleinen Skizze und dem Kontrast zu den folgenden Ereignissen. Sie besserte ein paar Schreibfehler aus und las weiter.
    Gotthilf Novak war ein begeisterter Schütze und hatte Kontakte zu zahlreichen Schützenvereinen. Als die russische Armee 1944 in Polen einmarschierte, floh er mit seinen beiden Söhnen nach Willersdorf in Thüringen, wo ihm Angehörige des Schützenclubs halfen, eine Unterkunft und Arbeit in einer Schuhfabrik im benachbarten Rudolstadt zu finden. Soldatenstiefel wurden damals dringend gebraucht.
    Die Familie Kromm war dagegen zunächst in ihrem Heimatdorf verblieben. 1946 wurde Vater Kromm von der russischen Militärverwaltung
für einige Tage Arbeit abgeholt
und kam nie wieder zurück. Daraufhin entschloss sich Mutter Kromm zur Flucht. Sie schlug sich bis nach Willersdorf durch in der Hoffnung auf Hilfe durch ihre ehemaligen Nachbarn, die Novaks. So trafen sich die beiden Freunde wieder.
    Willersdorf liegt unmittelbar an jener Grenze, die von einer Demarkationslinie zwischen den deutschen Besatzungszonen zum fast undurchdringlichen Eisernen Vorhang zwischen zwei Weltanschauungsblöcken werden sollte.
    Nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8.   Mai 1945 wurde das Land von den Siegermächten
USA
, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion in vier von Militärregierungen verwaltete Besatzungszonen aufgeteilt. Die höchste Regierungsinstanz war damals der Alliierte Kontrollrat, der umsetzen sollte, was auf verschiedenen Konferenzen der Alliierten lange vor dem Kriegsende für den Umgang mit Deutschland beschlossen worden war: Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Demokratisierung und Reparationszahlung durch Abbau und Abtransport von Industrieanlagen, vor allem natürlich der Rüstungsindustrie.
    Der Kontrollrat sollte Gesetze und Verordnungen einstimmig beschließen. Doch das funktionierte von Beginn an nicht gut. Zu unterschiedlich waren die Vorstellungen von der Zukunft Nachkriegsdeutschlands. Die Sowjets wollten einen von der Kommunistischen Partei zentralistisch regierten Staat; die Engländer wollten zwar ebenfalls einen zentralistischen Staat, aber als Demokratie mit einer starken Arbeiterpartei; die Amerikaner wollten natürlich eine Demokratie, aber von Sozialismus überhaupt nichts hören, und die Franzosen wollten Deutschland klein halten, indem man es in einen föderalistisch organisierten Staatenbund zerteilte.
    Die Militärregierungen in den vier Besatzungszonen gingen dazu über, weitgehend autonom zu handeln. Die Sowjets begannen schon im September 1945 mit einem grundlegenden Umbau der Gesellschaft in ihrer Zone.
    Als Erstes wurde unter dem Schlagwort »Junkerland in Bauernhand« eine Landreform durchgeführt. Zwölftausend Gutsbesitzer wurden entschädigungslos enteignet, einundzwanzig Millionen Hektar Grund an Landarbeiter und Vertriebene verteilt. Dann wurden Banken und Versicherungen aufgelöst und die großen Industriebetriebe

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