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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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verstaatlicht. Eine erste Massenflucht in den Westen setzte ein.
    Und damit rückte die Demarkationslinie zwischen der sowjetisch besetzten Zone (
SBZ
) und den drei Westzonen in den Fokus der Aufmerksamkeit des Alliierten Kontrollrats. Auf Drängen der Sowjetunion wurde am 30.   6.   1946 die Zonengrenze gesperrt; man legte die Grenzübergangsstellen fest und führte einen Interzonenpass ein.
    Die eintausenddreihundertfünfzig Kilometer lange Demarkationslinie zerschnitt zweiunddreißig Eisenbahnlinien, drei Autobahnen, einunddreißig Bundesstraßen, einhundertvierzig Landstraßen und Tausende von Flur- und Verbindungswegen. Vor allem aber schnitt sie tief in das Leben von Menschen ein: Bauern kamen nicht mehr auf ihre Felder, Handwerker nicht mehr zu ihren Kunden, Arbeiter nicht mehr in ihre Betriebe.
    Zwar ermöglichte der sogenannte »Kleine Grenzverkehr« zahlreiche Übergangslösungen, aber als weiterhin immer mehr Menschen von Ost nach West strebten, wurde die Grenze Schritt für Schritt verdichtet.
    Anfangs bestand sie nur aus gelb-weißen Holzpfählen und im Wald aus farbigen Markierungen an den Bäumen. Aber bereits ab November 1946 wurden die ersten Schneisen durch den Wald geschlagen und ab Sommer 1947 die ersten Stacheldrähte gezogen. Gleichzeitig begann der Aufbau der Grenztruppen.
    Als Kunigunde das Kapitel durchgelesen hatte, überprüfte sie die entsprechenden Fußnoten und legte die Blätter im Ordner »Endgültiger Text« ab. Dann schaute sie auf die Uhr. Halb elf, und Hanna hatte immer noch nicht angerufen.
    Das war wirklich merkwürdig.

10
    Â»So, über den Martin wolln S’ wos wissen. Warum, hod der wos angstellt?« Die Sekretärin der Firma Kostner, fast so breit wie ihr Bamberger Dialekt, schob irritiert ihren Käsekuchen beiseite. »Do konn ich Ihna fei ned vill song. Der is ja scho seit drei Wochn nimmer do.«
    Werner steckte seine Dienstmarke wieder ein, zog sich einen Stuhl heran und schaltete das Diktafon an. Claudia Jung ging an den Wänden des großen Vorraumes entlang und betrachtete die auf Fotos verewigten Schandtaten des Bauunternehmens.
    Â»Warum ist Martin Kostner denn nicht mehr ins Büro gekommen?«, begann Werner seine Befragung, froh, des Fränkischen dank seiner Herkunft mächtig zu sein. Die Mitarbeiterin, die später die Aufnahme vom Band abtippen musste, würde ganz schön zu tun haben.
    Frau Motschenbacher betrachtete ihn durch ihre dicken Brillengläser und überlegte offenbar, welches Maß an Auskunft ihre Firmenloyalität zuließ. Doch dann siegte die Lust am Reden über ihr Sekretärinnengewissen.
    Â»No, weil sei Vadder na doch nausgschmissen hod! Ich soch Ihna, des wor wos! Also wenn Sie mich frong …« Sie presste die Lippen zusammen und drehte die nach oben geöffnete Hand bedeutungsvoll hin und her.
    Â»Aber ich frage Sie ja.« Wenn Werner etwas nicht leiden konnte, dann waren es solche wichtigtuerischen Andeutungen. »Herr Kostner senior hat also seinen Sohn aus der Firma geworfen. Welche Aufgabe hatte Martin Kostner denn hier im Betrieb?«
    Â»Om Schluss wor er in der Buchhaltung, seit an Johr. Früher wor er mit aufn Bau. Hot Maurer gelernd. Aber der Old hod na aa sunst alles machen gelosst, jeda Drecks-Erbert. Den eichena Sohn!« Sie straffte entrüstet ihren Pullover über dem ausladenden Busen.
    Â»Meinen Sie damit, dass Herr Kostner den eigenen Sohn härter angefasst hat als die anderen Firmenangehörigen?«
    Â»Na ja, zu seina Leud wor der Boss scho aa ned grod sanft, aber stimmt scho, manchmal hod mer des Gfühl ghobt, dass der den Martin extra gebiesaggt hod.«
    Â»Können Sie sich vorstellen, warum er ihn so gepiesackt hat?«
    Â»Naa, echd ned. Do hom sich die andern aa gewundert. So an Vadder möchert ich ned gschengt hom.«
    Â»Und warum hat Herr Kostner seinen Sohn denn rausgeworfen?«
    Frau Motschenbacher machte ein Gesicht wie eine dickliche Sibylle und flüsterte: »Des is des große Rätsel. Seit Wochn werd do bei uns drüber schbeguliert. Mir wissen’s ned.«
    Â»Wer macht denn jetzt die Buchhaltung, wenn Martin Kostner nicht mehr da ist?«, schaltete sich Claudia Jung ein.
    Â»No, widder der old Kostner selber. O seina Bücher lässt er eh ned gern jemand no.«
    Â»Was ich gern wüsste: Was war Martin Kostner denn für ein Mensch? Mochten Sie

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