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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Ebenbild. Unwillkürlich verglich er sich mit dem Kerl, der den Arm um Hannas Schultern gelegt hatte. Und erntete nur Minuspunkte.
    Statt gegelter schicker Frisur standen um seinen Kopf wirre braune Locken, die, wie meist, viel zu lang waren. Er hasste es, zum Friseur zu gehen, und schob den Besuch immer so lange wie möglich hinaus. Außerdem war er nur mittelgroß und eher kompakt und nicht groß und schlank wie dieser … dieser … Ihm fiel gar kein Ausdruck ein, der ihm mies genug vorkam für diese Kreatur. Und dann war der auch noch so angezogen wie ein Filmstar, lässig-elegant und, das konnte sogar er sehen, diskret teuer. Sein eigener Kleidungsstil dagegen … na ja …
    Aber zumindest das konnte er ändern. Und das würde er ändern, jawoll, und zwar auf der Stelle. Bis zu seiner Verhandlung hatte er noch eine Dreiviertelstunde Zeit. Wenn so einer das konnte, so ein Heini, dann … Aber wo war denn in dieser blöden Langen Straße nur ein Kleidergeschäft für Herren?
    Er versuchte angestrengt, sich zu erinnern, wann er sich denn das letzte Mal etwas zum Anziehen gekauft hatte und wo. Aber ihm fielen nur Hannas anfangs gut gelaunte, dann immer resigniertere Versuche ein, ihn in ein »vorzeigbares Etwas«, wie sie das nannte, zu verwandeln. Er hatte sich dem mit stiller Passivität widersetzt. Er fühlte sich einfach wohl in seinen ausgebeulten Jeans, in seinen alten vertrauten Hemden und Pullundern.
    Aber hier war ja wenigstens ein Schuhgeschäft. Neue Schuhe wären vielleicht auch … Und den Verkäufer konnte er dann unauffällig nach einem Herrenausstatter fragen, der auf seinem Weg zum Gericht lag.
    Aber es gab keinen Verkäufer, sondern nur eine blutjunge Verkäuferin, die ihn kritisch von Kopf bis Fuß musterte und ihn in Verlegenheit brachte, indem sie auf seine höfliche Anfrage nach Schuhen zurückfragte, was für Schuhe er denn haben wolle.
    Â»Nun ja, normale Schuhe halt, zum Laufen«, antwortete Benno verwirrt.
    Â»Naa, ich mein, brauchen S’ an Business-Schuh oder an Freizeitzeitschuh, Halbschuh oder Stiefeletten, Slipper oder Sneakers oder Outdoorshoes?«
    Benno schwieg erschrocken.
    Sie sah ihn mitleidig an. »Soller aus Leder sein, aus Velours, aus Leinen oder mixed ?«
    Â»Ich … ich weiß noch nicht.« Benno wünschte sich kilometerweit weg.
    Â»Wissen S’ denn wenichstens a Farb?«
    Â»Ich dachte … vielleicht … schwarz?« Benno ermannte sich. »Jetzt zeigen Sie mir halt einfach mal was, dann kann ich entscheiden.«
    Er verließ den Laden mit drei Paar Schuhen und der Auskunft, zum Kleiderkauf doch zum Ali an der Oberen Brücke zu gehen. In dem Moment, als die Verkäuferin ihm das empfahl, fiel ihm wieder ein, dass Hanna ihm dort einmal einen Pullover gekauft hatte, der ihm schon bald zu eng geworden war.
    Benno hatte das auf eine falsche Waschweise geschoben. Entsetzlich unbequem, das Teil. Aber in seiner heroischen Aufbruchstimmung war Benno bereit, sich auch noch den Besuch bei Ali anzutun.
    Natürlich drückten die neuen Schuhe. Die alten hatte er gleich zum Wegwerfen im Schuhladen gelassen, nachdem die Verkäuferin resolut erklärt hatte, die seien absolutes No-Go. Schon am Obstmarkt meinte Benno, an der rechten Ferse eine sich entwickelnde Blase zu spüren.
    Auch bei Ali gab es keinen verständnisvollen Verkäufer, sondern wieder nur eine, diesmal bildschöne, junge Verkäuferin mit gepierctem Bauchnabel. Sie eskortierte ihn in den Kellerverkaufsraum, legte ihm auf ihre vergebliche Frage nach seiner Hosengröße fünf Jeans zur Auswahl vor und schickte ihn dann mit dreien davon in die Umkleidekabine, während sie Hemden und Pullover für ihn heraussuchen wollte. Bei jedem Blick in einen der Spiegel zog Benno den Bauch ein und dachte sich für diesen Mistscheißkerl an Hannas Seite, für diesen Drecks-Arm-um-die-Schulter-Leger, eine neue Art von Folter aus.
    Dass der ihn zwang, sich in so einer engen stickigen Umkleidekabine … es gab wenig, was er scheußlicher fand …
    Benno stand gerade in der Unterhose da und wollte sich seinen Pullunder über den Kopf ziehen, als sein Blick auf seine Armbanduhr fiel. Oh, Scheiße, Scheiße, Scheiße!
    In zehn Minuten fing seine Verhandlung an, und er hätte vorher unbedingt noch etwas mit dem Richter besprechen müssen. Er fiel

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