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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Feste vermietete. Im Mittelalter war das ein Gasthaus, in dem auch Albrecht Dürer übernachtete auf seiner Reise in die Niederlande. Es war früher viel prächtiger, aber im Zweiten Weltkrieg kriegte es einen Bombentreffer ab. Nach dem Krieg sollte es abgerissen werden, aber die Studenten sind durch die Stadt gezogen und haben einzelne Backsteine verkauft für den Wiederaufbau. Und in den siebziger Jahren wurde es dann die Keimzelle für die wiedererrichtete Universität in der Altstadt.«
    Paolo nickte höflich. Er sagte nichts, aber Hanna konnte in seinem Schweigen so deutlich den Vergleich Venedigs mit diesem Provinzstädtchen hören, dass ihr die Lust am Erzählen verging. Und vage spürte sie, versteckt hinter seiner zuvorkommenden Miene, so etwas wie Ungeduld, als steuere Paolo auf etwas zu oder warte auf etwas.
    Sie drehte sich zum Fluss hin um. »Das da rechts oben ist das ehemalige Benediktinerkloster Michelsberg.« Die großen dunklen Dächer der Klostergebäude begannen in der blassen Frühfrühlingssonne, die sich zaghaft durch den Wolkendunst kämpfte, metallisch zu glänzen.
    Â»Und hier links, das Gebäude in der Flussmitte, ist das Alte Rathaus«, beendete Hanna ihre Ausführungen lahm.
    Â»Aha«, sagte Paolo.
    Jeder andere fragte an dieser Stelle, warum denn die Bamberger ihr Rathaus mitten in die Regnitz gebaut hatten. Paolo fragte nicht. Vielleicht war es für einen Venezianer einfach zu normal, dass Häuser im Wasser standen.
    Hanna fiel nichts mehr ein. Die Tür zu ihrem Wissen über die Stadt, die sie sonst so begeistert öffnete, war plötzlich verriegelt. Eine unbehagliche Stille breitete sich zwischen ihnen aus, als sie weitergingen. Erst vor dem großen, schönen verletzten Bronzekopf von Mitoraj, über dem im diffusen Licht wie eine Vision der Michelsberg zu sehen war, brach Paolo das angespannte Schweigen.
    Â» Mamma mia , ein echter Mitoraj? Bamberg scheint es ja gut zu gehen!«
    Â»Die Skulptur wurde nicht von der Stadt gekauft, sondern mit den Spenden der Bürger erworben«, erklärte Hanna steif.
    Im Weitergehen erzählte sie dann doch mit verhaltenem Stolz, wie der Direktor des Internationalen Künstlerhauses es fertiggebracht hatte, alle zwei Jahre die ganze Altstadt zum Ausstellungsraum für einen bedeutenden zeitgenössischen Bildhauer zu machen – Mitoraj, Avramidis, Wortelkamp, Luginbühl, Lüpertz –, und welche Aufregung vor allem die rundlichen »Blunzn« von Botero anfangs ausgelöst hatten, dass die Kunstinteressierten dieser Stadt aber jeweils so viel Geld gesammelt hatten, dass von jedem Künstler ein Exemplar angekauft und im Stadtraum aufgestellt werden konnte.
    Â»Interessant«, sagte Paolo.
    Er wunderte sich auch nicht über das aus der Wand hängende Engelsbeinchen, als Hanna ihn auf die monumentalen Fresken am Alten Rathaus hinwies, ein Detail, das bei ihren Gästen üblicherweise freundliche Erheiterung hervorrief. Irgendetwas stimmte nicht – Paolo interessierte sich überhaupt nicht für das, was sie da über Bamberg erzählte. Aber warum hatte er sie denn dann um eine Stadtführung gebeten?
    Als sie neben dem urmuttergroßen Lächeln der Kunigundenstatue stehen blieb, um ihm die Fischer- und Schifferhäuser von Klein-Venedig zu erläutern, packte Paolo plötzlich ihr Handgelenk und drehte sie zu sich herum.
    Â»Komm zurück«, sagte er heiser. »Lass Klein-Venedig. Komm mit mir nach Venedig!«
    Hanna sah ihn verblüfft und erschrocken an. Sie entzog ihm ruckartig ihr schmerzendes Handgelenk und fragte stirnrunzelnd: »Ich soll … Aber … aber wie stellst du dir das denn vor?«
    Er trat ganz nah auf sie zu und sagte in ihr Haar: »Gib kleines Palazzo weg für richtiges Palazzo!«
    Hanna wandte sich ab und rieb ihr Handgelenk. »Richtigen«, korrigierte sie.
    Â»Scusi?«
    Â»Es heißt ›für einen richtigen Palazzo‹.«
    Paolo lächelte dünn. »Also gut, der richtigen Palazzo wartet auf dich, meine Schöne.«
    Hanna zögerte. Vor ihrem inneren Auge sah sie die spitzengerahmten Fenster zum Canal Grande, den idyllischen, götterumstandenen, brunnenplätschernden Innenhof und die ehrfurchtgebietende Marmortreppe, sie spürte Paolos Atem in ihrem Haar, seine durchdringende Präsenz und sah seine schönen Hände, Hände, die so

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