Bamberger Verrat
beinahe aus der Kabine, als er wie ein Springteufel in seine Hosen, seine Schuhe und seinen Mantel fuhr. Er fegte ein paar Jeans von einem der Tische, als er daran vorbei- und die Treppe hinaufrannte.
»Ich komme wieder«, rief er der verblüfften Verkäuferin über die Schulter zu.
In der Kabine hinterblieben zwei Plastiktüten mit neuen Schuhen.
Es war definitiv nicht Bennos Tag.
20
Werner Sinz betrachtete die Mitglieder »seiner« Sonderkommission. Sie saÃen in einem groÃen U um aneinandergeschobene Konferenztische und sahen in dem unbarmherzigen Licht der alten Neonröhren blass und angespannt aus. Es roch nach feuchter Wolle und sanft nach dem Brokkoli, den es zu Mittag in der Kantine gegeben hatte. Die lebhafte Unterhaltung verstummte, als Werner auf sein Pult klopfte und die neu hinzugekommenen Ermittler aus Hof, Bayreuth und Coburg begrüÃte. Mit der Verstärkung aus verschiedenen Ressorts der Bamberger Dienststelle war die Soko »Hainmord« inzwischen auf neunzehn Personen angewachsen, dreizehn Männer und sechs Frauen.
»Nun gut«, begann Werner, »Frau Jung hat euch dankenswerterweise ein Papier zusammengestellt, das die Grundtatsachen des Falles, soweit wir sie bisher wissen, übersichtlich darstellt, sodass wir jetzt alle auf dem gleichen Kenntnisstand sein müssten. Ist das akzeptiert? Gibt es bisher Fragen?«
Allgemeines Kopfschütteln.
Nur die Kommissarin aus Hof meldete sich: »Ist so eine schriftliche Zusammenfassung nach den jeweiligen Ermittlungsabschnitten hier üblich? Ich finde das überaus nützlich.«
»Wir versuchen es, wenn es die Zeit irgend erlaubt. War eine Idee von Frau Jung. Sie ist erst seit Kurzem hier und wagt es schon, Ideen zu haben.« Werner schaute mit einem Augenzwinkern zu Claudia Jung hinüber.
Die ersten Punkte waren schnell abgehandelt. Die Befragung der Joggerin hatte keine neuen Erkenntnisse gebracht, das K3 hatte gemeldet, dass die Geldscheine, die Martin Kostner bei sich hatte, nicht gefälscht waren, und die Spurensicherer hatten an Kostners Körper keine verwertbaren Spuren sichern können. Auch am Tatort hatte der Regen alle brauchbaren Spuren vernichtet. Das Obduktionsergebnis lag noch nicht vollständig vor, doch man konnte mit ziemlicher Sicherheit von einem Todeszeitpunkt zwischen elf und zwölf Uhr am vorhergehenden Abend ausgehen.
Werner hakte diese Themen auf seiner Fragenliste ab und sagte: »Okay. Nächster Punkt. Paul und Harald, ihr habt doch mit den Eltern Kostner gesprochen.«
Paul Weber hatte sich Vater Kostner vorgenommen. »Der ist ja wirklich ein Goldstück vor dem Herrn.« Er schüttelte sich. »Zunächst hat er rumgebrüllt, wollte sich beschweren beim Chef, beim Oberbürgermeister, wenn nicht gleich beim Ministerpräsidenten und so weiter und so weiter. Es dauerte lange, bis ich ihn geknackt hatte, aber schlieÃlich ist er doch damit herausgerückt, dass er seinen Sohn rauswarf, als er mitgekriegt hatte, dass der mit Drogen dealt. Vorher gab es wohl eine Auseinandersetzung, bei der sich die beiden fast umgebracht haben. Das trägt natürlich nicht gerade zu seiner Entlastung bei. Aber für gestern Abend scheint er ein Alibi zu haben. Er war bis gegen dreiundzwanzig Uhr bei seinem Stammtisch in der Brauerei Keesmann, und gegen dreiundzwanzig Uhr dreiÃig kam er nach Hause. Der Nachbar hat gehört, wie er seinen Wagen in die Garage gefahren hat. Und Kostners Frau hat das bestätigt.«
»Damit können wir ihn wohl von der Liste der Verdächtigen streichen?«
»Na, er kann ja wohl kaum um elf vom Keesmann losfahren, mal schnell im Hain seinen Sohn umbringen und um halb zwölf zu Haus in der WattstraÃe sein.«
»Und die Zeitangaben stehen fest? Hast du das gegengecheckt?«
Weber zögerte etwas. »Hm, das müssen wir schon noch mal überprüfen. Die Nachbarn sind sich uneins: Er sagte, gegen halb zwölf, sie meinte, es sei eins gewesen. Die Diskussion darüber wurde etwas emotional, aber er versicherte glaubhaft, seine Frau habe schon geschlafen, und wenn sie dann aufwache, sei sie immer etwas desorientiert. Hinter vorgehaltener Hand hat er dann noch hinzugefügt, das sei nicht nur nach dem Aufwachen so. Das hat die Stimmung nicht gerade verbessert. Wir hätten fast den nächsten Mord gehabt. Aber Kostners Frau hat glaubhaft versichert, dass ihr Mann kurz nach den
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