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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Beinen auf dem Sofa vor dem laufenden Fernsehapparat und dem Laufen lernenden Will, der jetzt zwei Schrittchen auf Hanna zu machte, auf den Hintern fiel und zu schreien begann.
    Â»Verdammt, Tanja!«, murrte Hanna und nahm Will auf den Arm. »Ich hab dir doch gesagt, dass du hier drinnen nicht rauchen sollst!«
    Will hatte zu schreien aufgehört, schmiegte sein Köpfchen an ihre Schulter und putzte sein verrotztes Näschen und die Schokolade an seiner Hand an ihrem neuen hellen Pullover ab.
    Tanja schaute schuldbewusst zu Boden.
    Â»Sorry, Hanna, eigentlich rauch ich ja gar nicht mehr. Aber ich bin immer noch total down, und draußen ist es so ätzend, und Will kann doch hier drin nicht allein bleiben. Keine Sekunde kann man den Schnörpfel mehr aus den Augen lassen.«
    Hanna schaute sich im Zimmer um. Es war unvorstellbar, dass zwei Menschen in so kurzer Zeit eine solche Unordnung zustande bringen konnten. Der Kinderwagen hatte Dreckspuren auf dem Parkettboden hinterlassen, neben ihm lagen Wills Overall, seine Mütze und seine Handschuhe auf dem Boden, Tanjas Mantel war auf den Sessel geworfen worden, Wills Fläschchen hatte eine Milchpfütze auf dem Couchtisch hinterlassen, und neben Hannas Schreibtisch stand Tanjas große Tasche, aus der Will offenbar mit Entdeckerfreude diverse Gegenstände und Kleidungsstücke herausgezogen und in der Gegend verstreut hatte.
    Tanja hatte Hannas Blick gesehen und sagte, den Tränen nahe: »Ich räum gleich auf, Hanna. Ich bin nur auch erst vor Kurzem nach Haus gekommen und brauchte einfach mal ein paar Minuten zum Hinsetzen.«
    Â»Wieso bist du denn überhaupt hier? Du hast doch gesagt, dass du bis fünf arbeiten musst?«
    Â»Meine zweite Kundin hat abgesagt. Ihr Kleiner ist die Treppe runtergefallen, und sie musste mit ihm zum Arzt.«
    Hanna war noch immer ärgerlich. Wie sollte sie in diesem Durcheinander denn nur arbeiten?
    Â»Weißt du was?«, schlug sie resigniert vor. »Ich mach uns jetzt erst mal einen Tee, und dann nimmst du Will und gehst mit ihm nach oben und baust dir mit ihm auf meinem Bett eine Burg. Ich muss unbedingt ein paar Stunden ungestört arbeiten. Und mach den verdammten Fernseher aus!«
    Hanna hatte nach dem Tee den Rosenstrauß – ohne Zahnpastatuben – in eine Vase gestellt, den Kinderwagen beiseitegerollt, den Dreck vom Boden gewischt, die Kleider aufgehängt und fünf Arbeiten korrigiert, als aus dem Oberstock ein fürchterliches Geschrei ertönte.
    Tanja erschien kreidebleich mit einem blutüberströmten Will oben an der Treppe.
    Â»Scheiße! Er hat deine Nachttischlampe runtergeschmissen und sich daran geschnitten. Ich glaube, das muss genäht werden.« Sie sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen.
    Hanna schloss verzweifelt die Augen. Das durfte doch einfach nicht wahr sein!
    Doch dann schaltete sich das ein, was sie selbst ihren »Krisenmanagementsinn« nannte. In schwierigen Situationen handelte sie instinktiv kühl und zielorientiert und verfiel erst hinterher, wenn alles vorbei war, in eine Art hysterischer Taumeligkeit.
    Â»Ja, das sieht nicht gut aus«, sagte sie entschlossen. »Komm, wir gehen erst mal ins Bad und waschen ihm das Blut ab und verbinden die Wunde vorläufig. Wer ist denn dein Kinderarzt? Ich ruf dort schon mal an, während du Will anziehst.«
    Sie würde morgen mit ihren Studenten einfach eine Diskussionsstunde machen und ihnen dann freigeben.

23
    Aha!, dachte Kunigunde. Sie will reden. Mitten in die umständlichen Klagen ihrer Freundin über ihre verschiedenen Zahnoperationen, zu denen Christa angeregt Bienenstich verzehrte, war Hannas Anruf geplatzt.
    Â»Ich würde heut Abend viel lieber bei dir zu Haus feiern. Ich bestelle eine Pizza, damit du nicht kochen musst, okay?«, hatte sie gesagt.
    Eigentlich hatte Kunigunde protestieren wollen: »Pizza an meinem achtundsechzigsten Geburtstag? Nur über meine …«
    Aber wenn sie es recht bedachte: Sie hatte ja tatsächlich keine Zeit, groß aufzukochen, denn sie hatte sich fest vorgenommen, heute das letzte Kapitel im Hauptteil ihrer Arbeit noch einmal kritisch durchzulesen, bevor sie zum Interview mit der Tochter ihres »Helden« fuhr, damit sie ihre Fragen gezielt stellen konnte. Und jetzt nahm ihr dieser blöde Geburtstagskaffee schon kostbare eineinhalb Stunden weg.
    Es fiel ihr zunehmend schwerer, ihrer Freundin

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