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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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zuzuhören, obwohl sie sich dazu verpflichtet glaubte, weil die ihr schon oft in schwierigen Situationen tatkräftig geholfen hatte. Sie empfand die Diskrepanz zwischen der Banalität bundesrepublikanischer Alltagsklagen und dem Grauen, mit dem sie sich gleich würde beschäftigen müssen, als beinahe körperlichen Schmerz. Natürlich hatte Christa Zahnweh, unabhängig davon, was damals geschehen war und was an Schrecklichem unentwegt in der Welt geschah, aber trotzdem … Sie verabschiedete die Freundin, sobald es die Höflichkeit zuließ, und setzte sich sofort an ihren Schreibtisch.
    Am Abend des 22.   8.   1959 wurde Franz Novak angeschossen und von Stasi-Offizieren in die
DDR
zurückverschleppt. Trotz seines – laut Festnahmeprotokoll
unbedeutenden
 – Oberschenkeldurchschusses wurde er noch in dieser Nacht in die Stasi-Untersuchungshaftanstalt Magdalenenstraße im über dreihundert Kilometer entfernten Berlin eingeliefert.
    Bereits am nächsten Morgen um sechs Uhr dreißig begann die erste, siebenstündige Vernehmung. Novak unterschrieb mit zittriger Hand jede Seite des Vernehmungsprotokolls, offenbar unfähig, dessen zahlreiche Fehler wahrzunehmen oder zu beanstanden.
    Sechsunddreißig Mal wurde er in den folgenden Monaten bis Mitte Januar 1960 verhört. Die Haftbedingungen und Verhörmethoden waren grauenhaft. Er wurde nicht geschlagen oder physisch gefoltert.
Das haben wir nicht nötig
, sagte einer seiner Vernehmer einmal.
    Die Stasi setzte ganz auf Psychoterror. Franz Novak wurde im Keller des Zuchthauses von Hohenschönhausen in eine winzige dunkle Zelle gesperrt, in totaler Isolationshaft. Er durfte nicht lesen, nicht schreiben, mit niemandem sprechen, sich tagsüber nicht hinlegen oder sich anlehnen und stand unter ständiger Beobachtung – immerzu allein mit seinen Gedanken. Er begann, sich nach den Verhören zu sehnen.
    Die Protokolle dieser Vernehmungen lesen sich gespenstisch: bürokratisch stilisiert, steif, hölzern und bar jeden menschlichen Gefühls, obwohl sie doch über eine emotional extrem aufgeladene Situation berichten. Viele Aussagen, die Franz Novak angeblich gemacht haben soll, sind zweifellos gefälscht; sie widersprechen vom Stil und Inhalt allem, was er in seinen Briefen geschrieben hat:
Mein Verhalten musste sich dahingehend auswirken, dass die im Grenzgebiet Willersdorf stehenden Aufgaben in Bezug der sozialistischen Umgestaltung des Dorfes nicht erfüllt wurden.
Oder:
Ich entschied mich, ein Feind der Deutschen Demokratischen Republik zu werden; ich wollte durch meine Flucht die Deutsche Demokratische Republik schädigen.
    So hat Franz Novak, nach allem, was wir von ihm wissen, einfach nicht gedacht. Doch er hat all diese Protokolle unterschrieben, Seite für Seite. Zu seinem Pflichtverteidiger sagte er später:
Nach vier Monaten ohne Licht, nach vier Monaten im Keller von Hohenschönhausen, in dieser Hölle, unterschreiben Sie alles.
    Aber selbst in diesen Machwerken gibt es Antworten, die echt klingen und die zeigen, wie lange Franz Novak standgehalten hat. Man kann Ärger erkennen, Trotz, Wut, Resignation, aber er hat sich nicht angebiedert:
Wenn mir hier nicht geglaubt wird, dann habe ich eben gelogen … Sämtliche Angaben, die ich bisher gemacht habe, entsprechen der Wahrheit … Dieses weiß ich ganz genau und brauche deshalb nicht erst darüber nachzudenken!
    Er hat Fehler zugegeben, auch Selbstkritik geäußert und, wo immer es ihm möglich war, versucht, seine Angehörigen und Freunde zu schützen, indem er die ›Schuld‹ auf sich nahm. Weder seine Nachbarn noch einer seiner Jagdkollegen hätten von seinen Fluchtplänen gewusst, sein Bruder und seine Frau hätten versucht, ihm das Vorhaben auszureden.
    Er berichtete offen und wahrheitsgemäß über sein Leben, seine Karriere, seine Arbeit bei der Grenzpolizei, die Vorgänge, die zu seiner Flucht führten, und seine Erlebnisse in Westdeutschland.
    Besonders interessierte sich die Stasi jedoch für seine Vernehmungen durch den amerikanischen Geheimdienst in Bayreuth unmittelbar nach seiner Flucht. Immer und immer wieder wurde er danach gefragt, und er antwortete jedes Mal erneut, dass er keine militärischen Geheimnisse verraten habe, da er sich trotz allem noch an seinen Fahneneid gebunden gefühlt und ja auch gehofft habe, einmal wieder in

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