Bamberger Verrat
die
DDR
zurückkehren zu können.
Das aber wollten die Stasi-Offiziere, die ihn vernahmen, absolut nicht hören. Er sei ein Spion und solle endlich gestehen, dass er sein umfangreiches Wissen über die
DDR
-GrenzsicherungsmaÃnahmen an den amerikanischen Geheimdienst verraten habe. Als er das aber auch nach dem dreiÃigsten Verhör nicht »zugab«, fertigten sie ein gefälschtes Geständnis an.
Ich habe plötzlich eingesehen, dass mein Verhalten bisher falsch war ⦠Ich bin jetzt gewillt, darüber zu berichten, was ich über dienstliche Angelegenheiten der Deutschen Grenzpolizei angegeben habe.
Die umfangreiche und exakte Auflistung all dessen, was er angeblich verraten haben soll, hätte Franz Novak schon umständehalber â ohne Papier und Stift â gar nicht anfertigen können:
Struktur der Deutschen Grenzpolizei, Angaben über die 4. Grenzbrigade Rudolstadt, die 11. Bereitschaft Zschachenmühle, die Grenzabteilung Weitisberga ⦠Stärke der Bereitschaften, Abteilungen und Kompanien ⦠Waffen und Fahrzeuge, Tierbestand, Tagesdienstablauf, Sicherung der Grenze, Schlagbäume, Erdbeobachtungsbunker und Verlauf des Grenzmeldenetzes, Einsatz von Signalgeräten â¦
und so weiter â acht Seiten lang.
SchlieÃlich habe er, laut Protokoll, gestanden:
Meine Beziehungen, die ich damals zum amerikanischen Geheimdienst hatte, trugen den Charakter einer Spionageverbindung. Darüber war ich mir im Klaren.
Er weigerte sich lange, diese Lügen zu unterschreiben. Daraufhin wurden die Haftbedingungen nochmals verschärft. Sie brachen ihn schlieÃlich durch Hunger, Durst, Kälte oder Hitze in der Zelle, durch ständige Bedrohungen und Demütigungen des Wachpersonals. Den Ausschlag aber gab letztlich das Versprechen, seine Frau aus der Haft freizulassen, wenn er unterschreibe.
Denn am 23.  12.  1959, dem Tag vor Weihnachten, servierte die Stasi Franz Novak ein besonderes »Weihnachtsgeschenk«: die Gegenüberstellung mit seiner Frau. Es war die erste Begegnung der beiden seit ihrer Festnahme.
Bis dahin hatte Franz Novak immer noch gehofft, Sonja sei in Freiheit â sie hatte sich in seinen Augen doch nichts zuschulden kommen lassen. Jetzt musste er erkennen, dass sie im selben Gefängnis saà wie er. Die Lektüre des eiskalten Protokolls dieser Begegnung verursacht Ãbelkeit. Es beginnt mit der Frage:
Kennen Sie die Person, die Ihnen gegenübergestellt wird?
Alle weiteren Fragen des Ermittlers betrafen die Gasmaske: Was Franz Novak unternommen habe, um sie zu bekommen, warum er es getan habe und welchen Anteil Sonja daran gehabt habe. Auch dabei versuchte Franz wieder, seine Frau zu schützen â er habe ihr nicht mitgeteilt, wofür er die Maske benötige, sie habe von seinen Kontakten zum amerikanischen Geheimdienst nichts gewusst. Sie antwortete aber, sie sei intelligent genug, dass sie sich das selbst hätte denken können. Beide mussten jede einzelne Aussage unterschreiben: Sonja mit kleiner, verzagter Kinderschrift, Franz mit zornig hingeschmierten groÃen Krakeln. Diese Unterschriften sind die einzigen Hinweise auf die Gefühle, die die beiden bei dieser Begegnung bewegt haben müssen. Sie haben sich danach nie mehr gesehen.
Im Januar 1960 erstellte Stasi-Hauptmann Rademacher, der die Vernehmungen durchgeführt hatte, die Schlussberichte, zunächst den für Sonja. Sonja Novak hatte sich danach
der Militärspionage, der erfolglosen Anstiftung zum Diebstahl und in mehreren Fällen
des VerstoÃes gegen das Passgesetz schuldig gemacht. Sie habe eine feindliche Einstellung zur
DDR
, sie habe gegenüber den Untersuchungsorganen den Eindruck eines primitiven Menschen zu erwecken versucht, aber sie sei
intelligent und raffiniert, dabei verlogen und unbelehrbar
. Im Juli 1969 wurde Sonja Novak zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.
Wesentlich umfangreicher waren die Vorbereitungen für den Prozess gegen ihren Mann. Der Fall hatte die Aufmerksamkeit der höchsten politischen Stellen in Ost-Berlin erregt. Noch vor dem Ende der Ermittlungen machte Oberstleutnant Neumann, Leiter der HauptabteilungÂ
IX
/6 des Ministeriums für Staatsicherheit, am 14.1.1960 den Vorschlag, den Prozess gegen Franz Novak vor dreiÃig verantwortlichen Offizieren der Grenzpolizei durchzuführen, damit diese erkennen,
dass seitens der imperialistischen Geheimdienste die
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