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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Preisgabe militärischer Geheimnisse rücksichtslos zum Zwecke der Feindtätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik ausgenutzt wird
. Er krönte seine lichtvollen Ausführungen mit der Erkenntnis:
Das Verfahren ist geeignet, aus erzieherischen Gründen gegen Novak die Todesstrafe zu verhängen.
    Dieses Papier wurde dem berüchtigten Chef der Stasi, Erich Mielke, vorgelegt. Seine handschriftlichen Anmerkungen sind in den Akten erhalten. Er ordnete an, den Zuhörerkreis auf achtzig Personen zu erweitern: je dreißig Offiziere der Grenzpolizei und der nationalen Volksarmee und zwanzig Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Gleichzeitig sollte der Prozess jedoch unter größter Geheimhaltung stattfinden; der Westen sollte keinesfalls davon erfahren, denn Franz Novak war schließlich rechtmäßiger Bürger der Bundesrepublik und auf westdeutschem Gebiet ergriffen und in die
DDR
verschleppt worden.
    Der Prozess wurde an das Bezirksgericht Erfurt überwiesen, Staatsanwalt und Richter entsprechend instruiert. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Erfurt stammt vom 4.   4.   1960:
Den berufslosen Franz Novak … klage ich an, die innere und äußere Sicherheit des Arbeiter- und Bauern-Staates in der Deutschen Demokratischen Republik auf das Schwerste angegriffen und gefährdet zu haben.
Von da an ist der Text wortgleich mit dem Schlussbericht des Stasi-Ermittlers, Hauptmann Rademacher, vom 21.   Januar 1960:
Wesentliches Ermittlungsergebnis: Während die friedliebenden Menschen, vor allem aber die Werktätigen Gesamtdeutschlands, mit großem Interesse der bevorstehenden auf Initiative der Sowjetunion einberufenen Gipfelkonferenz entgegensehen … setzen vor allem der westdeutsche Imperialismus sowie die anderen aggressiven imperialistischen Kräfte die Störtätigkeit gegen jegliche Entspannung fort. Die militaristisch-klerikalen reaktionären Kreise der deutschen Monopolisten sind bestrebt, den von ihnen geführten Kalten Krieg in ein neues Völkermorden umzuwandeln …
Dabei sei vor allem der amerikanische Geheimdienst bestrebt, Einzelheiten der Grenzsicherung in Erfahrung zu bringen.
Zur Organisation seiner Feindtätigkeit
habe er sich auch auf den ehemaligen Grenzpolizei-Offizier Franz Novak gestützt.
Er ist ein geworbener Agent, der sich auf die Seite des Kriegs gestellt hat. Durch seinen Verrat hat er dazu beigetragen, dass die imperialistischen Kräfte in die Lage versetzt werden, ihren geplanten »kleinen Krieg« gegen die Deutsche Demokratische Republik vorzubereiten.
Er habe Millionen von friedliebenden Menschen in Todesgefahr gebracht.
    Der Erfurter Staatsanwalt Wieseler schickte den Entwurf seiner Anklage an die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin. Doch dann passierte etwas Ungewöhnliches. Die Generalstaatsanwaltschaft schloss sich dem Antrag auf Todesstrafe nicht an. Generalstaatsanwalt Sobisch schrieb an das Zentralkomitee (
ZK
) der
SED
, in dem alle wichtigen Entscheidungen in der
DDR
gefällt wurden:
Wir sind der Meinung, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt werden sollte, und bitten nach Rechtskraft des Urteils nochmals um weitere Entscheidung.
    Novaks Fall sollte also im Zentralkomitee entschieden werden. Doch dort ließ man sich Zeit. Erst in letzter Minute – der Prozess hatte bereits begonnen – wurde ein Emissär von Berlin nach Erfurt geschickt, der dem Staatsanwalt die vom damaligen Sicherheitssekretär des
ZK
Erich Honecker und der mächtigen Justizministerin Hilde Benjamin unterschriebene Verfügung überbrachte:
In diesem Verfahren ist Todesstrafe beschlossen. Es wird vertraulich geführt und in den Einheiten ausgewertet.
    Der Prozess wurde damit zur reinen Schauveranstaltung. Der Pflichtverteidiger von Franz Novak, Dr.   Hölz aus Weimar, spielte praktisch keine Rolle. Franz Novak hatte bis dahin gehofft, die erzwungenen Geständnisse während der Verhandlung widerrufen zu können. Darauf hatte er sich lange vorbereitet. Aber der Richter ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. Am Ende des Prozesses stand weisungsgemäß das Todesurteil, das am 5.   Mai verkündet wurde.
    Alle Versuche, dieses Urteil abzuwenden, fruchteten nicht. Dr.   Hölz legte natürlich Berufung gegen das Urteil ein. Die Verhandlung des Obersten Gerichts der
DDR
fand am 22. Juni 1960 statt. Der Berufungsrichter hielt sich beinahe wörtlich an

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