Bambule am Boul Mich
aber ich
ließ ihn sofort wieder fallen. Man muß nicht immer gleich so schwarz sehen!
Auch nicht bei Toussaint Lanouvelle mit dem dunklen Teint.
„Na dann... äh... entschuldigen
Sie...“
„Gehen Sie noch nicht,
Monsieur“, sagte er sanft, fast bittend. „Ich spreche gerne von Yolande. Ich
bin Schwarzer, Monsieur. Sicher, die Farbigen in Frankreich werden nicht so
schlecht behandelt wie in den USA. Aber trotzdem Er sah immer noch zum Vorhang
hin, lachte:
„Vielleicht bin ich mehr
Schwarzer, als ich glaube... Das können Sie nicht verstehen.“
„Ich verstehe das sehr gut“,
sagte ich mitfühlend. „Sie haben Komplexe. Jeder hat welche. Warum nicht Sie?
Yolande hat sie davon befreit. Sie ist ein nettes Mädchen.“
Na ja, mehr oder weniger nett.
Sie hat ihm sicher einige Komplexe genommen, indem sie mit ihm schlief. Aber
als sie ihm den Laufpaß gab, hat sie ihm als Ersatz andere angehängt, und zwar
ganz gewaltige! Ich sag’s ja, dieses Rassenproblem ist einfach nicht zu lösen.
„Kennen Sie sie?“
„Hab sie einmal gesehen, vor
ein paar Tagen. Zusammen mit Jacqueline Carrier. Ich fand sie sympathisch.“
Er nickte dankbar, fing fast an
zu heulen. Seine Züge wurden hart, um Tränen und Schluchzen zu unterdrücken. Na
dann, gute Nacht! Wo war ich da wieder reingerutscht? Eine todsichere Art,
seine Grippe auszukurieren! Gleich würde der große Junge mir noch ordentlich
was vorheulen, bis kein Tropfen Wasser mehr in ihm sein würde. Unglückliche
Verliebte sind schlimmer als Besoffene.
„Können Sie mir sagen, was Sie
von Yolande wollten?“ fragte er.
„Ich bin wegen des Buches
gekommen, über Theater…“
„Ach, ja!“ lachte er. „Das
berühmte Buch.“
„Berühmt? Was meinen Sie
damit?“
„Nichts. Hab nur laut gedacht. Wollten
Sie’s kaufen? Soll ziemlich teuer sein... sehr teuer“, fügte er nachdenklich
hinzu.
Mein Herz schlug mir bis zum
Hals. Ich spürte, wie das Fieber anstieg. Verdammte Hélène! Hatte mal wieder
den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich lächelte.
„Das müssen Sie mir erklären,
glaub ich.“
Als Antwort hob er die Hand und
horchte. Jemand klopfte an die Wohnungstür. Toussaint Lanouvelle ballte die
Fäuste. Erneutes Klopfen. Er stand auf.
„Man soll mich in Ruhe lassen!“
brüllte er. „In Ruhe lassen soll man mich!“
Er stürzte zur Tür,
offensichtlich entschlossen, den ungebetenen Gast die Treppe runterzuschmeißen.
Ein Besucher reichte ihm.
Kaum war er aus dem Zimmer,
lief ich zum Vorhang. Reiner Instinkt. War völlig sinnlos. Aber ich wollte
sehen, was dahinter war.
Ich sah’s.
Ich erkannte sie nicht sofort.
Sie trug keine Brille. Aber es konnte sich nur um Yolande handeln, so tot wie
nur irgend möglich. Sie lag auf dem Sofa in dem winzigen Zimmer ohne Fenster.
Neben ihrem wächsernen, erstarrten Gesicht war eine Art Altar aufgebaut. Darauf
brannten zwei Kerzen und in einem Räuchergefäß zwei Räucherstäbchen. Von hier
kam also dieser Weihrauchgeruch. Und auch der andere, der Geruch einer Leiche,
die langsam verwest. Um das Totenbett herum waren Bilder und Trauergegenstände aufgebaut.
Dazu noch andere, exotische, Talismänner, Amulette. Eine Mischung aus
christlicher Religion und Götzendienst.
Yolande war tot. Woran sie
gestorben war, mußte ich noch rauskriegen. Sie lag bei ihrem Geliebten, der
verzweifelt war, weil er das junge Mädchen verloren hatte. Der Mann aus Afrika
hatte den Lack der Zivilisation angekratzt... (Ich bin Schwarzer, vielleicht
mehr noch, als ich glaube)... oder war ganz einfach verrückt geworden, was in
der Situation jedem passieren kann. Er wollte sich nicht von dem toten Körper
trennen.
Sehen und Verstehen waren eins.
Alles ging sehr schnell, ein paar Sekunden nur. Besonders an der Wohnungstür.
Ich hörte es dreimal kurz und
gedämpft knallen. Ein furchtbar typisches Geräusch. Dann noch ein vierter
Knall, lauter diesmal. Das war die Tür. Vorher aber nicht.
Heute hielt man sich nicht mit
Einzelheiten auf. Alles ging schnell, kam wie eine große Welle.
Ich verließ die Kapelle der
leidenschaftlichen Liebe und stürzte zur Tür. Jemand sprang im Affentempo die
Treppe runter.
Toussaint Lanouvelle stand in
dem engen Vorraum, keuchte wie ein Ochse, jammerte aber nicht. Mit beiden
Händen hielt er sich den Bauch. Wie in einem schrecklichen Alptraum machte der
tödlich getroffene Hüne einen Schritt nach vorn, dann noch einen, wie die
Statue des Kommandeurs, genauso unerbittlich.
Der frühlingshafte
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