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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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draußen gegangen.
Außerdem war das Wetter schön. Der Schnee von vor... ja, wie lange? Vier Tage?
Ja, vier Tage... Der Schnee von vor vier Tagen war fast vergessen. Seine
Offensive war gescheitert.
    Ich ging weg.
    Mein Ziel: Yolande.
    Van Straeten erforderte eine gewisse
Strategie. Bei Yolande war das nicht nötig. Ich würde sie bitten, einen Blick
in ihr Buch werfen zu dürfen. Ein einfacher Dreh. Die richtige Arbeit für einen
Genesenden, ruhig und gemütlich. Dabei würde ich mir kein Bein ausreißen.
    Ich ging zur Place de la
Contrescarpe.
    Der liebe gute Platz, rührend
provinziell, mit seinem Pissoir, dem Pavillon der R.A.T.P. ,
den Bäumen in der Mitte, den alten Häusern, die sich gegenseitig stützen, den
Bistros. Die belebte Rue Mouffetard war im Augenblick so ruhig wie der Platz.
Das passiert nicht oft. Aber um diese Zeit halten die Kaufleute noch ihre
Siesta oder sitzen über ihren Kontobüchern... wer weiß, was sie gerade
aushecken...
    Ich parkte meinen Wagen in der
Rue Lacépède vor dem verschossenen Ladenlokal einer öffentlichen
Leihbibliothek. Von dem Platz fuhr gerade die 84 ab; aber kaum eine
Menschenseele fuhr zur Porte de Champerret. Ein weiterer Bus rückte vor.
Schaffner und Fahrer stiegen aus. Der eine eilte ins Pissoir, der andere ging
zu einer uralten Klapperkiste, die die neugierigen Blicke auf sich zog. Baujahr
1925, zum letzten Mal vielleicht ein Jahr später neulackiert. Oben auf dem
Verdeck dieses Museumsstücks lag eine Katze und schnurrte sanft. Ab und zu
schielte sie zu den Tauben, die zwischen den Bäumen herumhüpften. Der Busfahrer
kraulte die Katze unterm Kinn. Sein Kollege kam hinzu, und beide bestaunten nun
spöttisch das unwahrscheinliche Automobil.
    Im Erdgeschoß eines schmalen
Hauses mit nur zwei Etagen entdeckte ich den fraglichen Bal antillais. Die Aufmerksamkeit der Kenner wurde durch ein knallgrünes Schaufenster mit
Palmen und Kokosnüssen erregt. Ein junger Schwarzer putzte im Overall die
Scheiben. Ich trat in den dunklen Flur neben dem Eingang zum Bal. Auf
einem der Briefkästen fand ich zwar den Namen Toussaint Lanouvelle, aber ohne
Angabe der Etage. Ich ging wieder raus, um den Scheibenwischer zu interviewen.
    „Ah! Jetzt keiner zu Haus,
M’ssié“, war die Antwort.
    Ein heiteres Gesicht und ein
Akzent, daß es für mich keinen Zweifel gab: der Spaßvogel machte sich über die
Weißen lustig, wo es nur ging. Er fuhr fort:
    „Sind alle in Uni jetzt.
Studenten, Doktor, P’offesor. M’ssié Lanouvelle auch. Bestimmt. Ah! Vielleicht
nein...“ Er sah zu dem Oldtimer hin. „Sein Auto da, aber vielleicht nix sicher,
he? S-teht schon swei Tag da, sein Auto. Muß S-trafe zahln. Wenn Sie wollen
wissen, sweite Hetage, ich glaub. Weiß nix genau. Sein Name ist an sein Tür.“
    Das hätte er auch gleich sagen
können. Ich ging hoch. Drei Türen, auf allen ein Namensschild. Auf dem dunklen
Flur war es zugig. Der Wind pfiff durch zwei schießschartenartige Löcher, die
aber keinen Lichtstrahl hereinließen. Die Wohnungen mußten eng und niedrig
sein. Vor Toussaint Lanouvelles Tür tastete ich nach einer Klingel. Vergebens.
Ich klopfte an den Türrahmen. Von der Place de la Contrescarpe drang gedämpft
ein wütendes Miauen herauf: die Katze machte ihrem Unmut darüber Luft, daß sie
keine Taube fangen konnte. Oder sie prügelte sich mit einer Artgenossin. Aus
der Wohnung kam kein Laut. Ich klopfte nochmal, etwas lauter. Das war das
Startzeichen für den Bus unten. Ansonsten keine Reaktion.
    Toussaint Lanouvelle war also
nicht zu Hause. Ganz normal. Ich würde wiederkommen. Schön.
    Ich sagte „schön“, aber ich
dachte was anderes. Ein eigenartiges Unbehagen beschlich mich. Die Folgen der
Grippe bestimmt, die ich etwas zu energisch bekämpft hatte. Oder...
    Ich horchte in die Stille, die
im ganzen Haus herrschte. Schwarze sollen angeblich einen eigenen Geruch an
sich haben. Und hier wohnten doch so viele. Aber das war’s nicht, was meine
Nase kitzelte. Verdammt! Hatte ich vielleicht schon Halluzinationen?
    Ich klopfte zum dritten Mal.
Noch etwas kräftiger als vorher, aber in aller Freundschaft sozusagen.
Rhythmisch. Tack tackatacktack tack tack! Wenn niemand reagierte, wollte ich
abhauen.
    Man reagierte!
    Ich stieß einen doppeldeutigen
Seufzer aus: der Erleichterung und der Enttäuschung. Aber ich glaub, ich hätte
ihn doch küssen mögen, diesen langen Kerl vor mir mit der eben-holzfarbenen
Haut.
    „Monsieur Lanouvelle?“
    „Ja, Monsieur. Das bin

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