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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Nachmittag
war still, friedlich und mild. Das Tageslicht fiel durch die offenstehende
Zimmertür in den Vorraum. Der Schwarze sah mich an, falls er überhaupt noch
irgendwas erkennen konnte, so weit, wie er war. Weit weg. Sehr weit sogar.
Jetzt ließ er seinen Bauch los. Ich meinte, das Blut brodeln zu hören, aus
seinen Eingeweiden spritzen und die Beine runterlaufen zu sehen. Er streckte
mir seine fürchterlich langen Arme entgegen.
    Ich stand wie versteinert da,
erkannte die Gefahr erst, als es zu spät war. Angewidert sah ich, wie sich
seine blutverklebten Hände auf mein Gesicht zubewegten, auf meinen Hals. Der
Hüne bäumte sich zum letzten Mal auf, glaubte, alle fünf Sinne beieinander zu
haben — so ein Unsinn! — und vermutete in mir einen Komplizen seines Mörders.
Ich wollte der furchtbaren Umklammerung ausweichen, aber zu spät. Seine Hände
rutschten auf meine Schultern, seine stählernen Finger krallten sich fest, wild
entschlossen, nicht mehr loszulassen.
    Und in diesem Moment muß er
wohl gestorben sein. Aufrecht, wie Emily Brontë. Nur war er verdammt viel
schwerer als die zierliche Engländerin. Ein Schluchzen schüttelte ihn. Er fiel
wie ein Klotz zu Boden und riß mich mit sich. Jetzt lag ich unter ihm.
    Der Lebende beerbt den Toten. Das ist ein Rechtsprinzip,
Yolande! Und da ich beim Zitieren bin: Haben Sie schon mal einen Toten
geohrfeigt?, fragte Louis Aragon. Haben Sie sich schon mal mit einer Leiche
herumgeschlagen ?, frage ich.
    Toussaint Lanouvelle erdrückte
mich mit dem ganzen Gewicht seines leblosen Körpers, der durch den Tod noch
schwerer wurde. Ich erstickte fast, hatte das Gefühl, daß meine Schulter
verbrannte. Hatten sich seine Finger in Haken verwandelt? Jetzt bemerkte ich
seinen Geruch. Den Geruch eines Schwarzen und den eines Toten. Und auch meinen
Geruch: ranzig von kaltem Schweiß. Ich spürte auch das Blut, das durch die
Kleider der Leiche in meine Kleider sickerte, bis auf meine Haut. Rasend vor
Wut und Angst schlug ich mit den Fäusten auf dieses leblose Stück Fleisch ein.
    Endlich gelang es mir, ihn zur
Seite zu rollen und mich zu befreien. Jetzt hielt er mich nur noch an der
Schulter fest. Ich schnappte nach Luft. Dann kniete ich mich hin und richtete
mich langsam auf. Ich kam nicht sehr weit. Offensichtlich hatte ich die Wahl:
entweder ich zog die Leiche mit mir hoch, oder aber ich blieb mit ihr liegen.
Sie war zu schwer. Ich blieb unter der Last gebeugt stehen und wartete
wahrscheinlich auf ein Wunder. Dann tat mir der Rücken weh, und ich kniete mich
wieder hin. Ich wollte seine Finger loswerden, mühte mich ab. Umsonst!
    Von der Place de la
Contrescarpe drang beruhigender Lärm herauf. Lärm von glücklichen Menschen, die
sich ihres Glücks gar nicht bewußt sind, Menschen, denen so was wie mir nie
passierte. Ein Zeitungsverkäufer rief die letzte Ausgabe des Crépuscule aus... Ein Auto hupte, obwohl das eigentlich verboten ist... Ein Bus fuhr los.
    Plötzlich lachte ich lauthals
und fluchte nach Herzenslust. Was für eine Flasche war ich doch! Ja, natürlich,
ich war noch nicht ganz gesund, aber trotzdem! Ich war genauso blöd wie diese
Film- oder Romanhelden, die sich mit irgendwas herumschlagen, nur um Spannung
zu erzeugen. Und das einzig und allein aus einer Mischung von Dummheit, unbegründeter
Panik und Täuschung. Etwa so: Jemand geht die Treppe hoch. Der Kerl in der
Wohnung zittert, denn man will ihn bestimmt umbringen. Tragische Situation.
Jemand geht noch immer die Treppe hoch. Langsam. Immer langsamer. Schweißperlen
auf der Stirn des Helden. Es klopft an der Tür. Da hätte der Kerl in der
Wohnung beinahe laut aufgeschrien. Hat er aber nicht. Und was ist mit der
Spannung? Der Held schwitzt und schwitzt. Das ist alles, was er kann. Gut drei
Liter hat er seit eben schon ausgeschwitzt, auf dem Boden bildet sich eine
Lache. Da hat der Kerl im Treppenhaus einen glücklichen Einfall:
    Jemand zu Hause? Ich bin der
Gasmann.’
    Allgemeines Aufatmen.
    Der Held hätte nur durchs
Schlüsselloch gucken müssen und gesehen, daß draußen kein Berufskiller steht.
Und warum ist der Gasmann so langsam die Treppe hochgekommen, hm? Spannung.
Alles wegen der Spannung. Spannen und spinnen. Schließlich mußte der Held einen
Grund haben, so stark zu schwitzen. Na ja, man kennt die Art Filme. Frage mich
nur, wo diese Kerle eigentlich leben! Im täglichen Leben gibt’s soviel
Spannung, zum Beispiel mit dem Gasmann; vor allem wenn er einem die Rechnung
präsentiert...
    Na

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