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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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nicht auch noch auf die Nerven! „
    „Versorgt? Schläft Gérard mit
ihr?“
    „Gérard? Der ist nur ein
Freund. Ein selbstloser Mensch. Hat immer was zu meckern. Aber treu wie Gold.“
    „Und warum Ärger?“
    „Na ja... Erstens wird sie von
ihren Eltern unheimlich kurz gehalten
    „Kurz gehalten! Daß ich nicht
lache! Neulich hat sie bei Colin des Cayeux bis nach Mitternacht auf Sie
gewartet, und dann war sie noch bis zwei mit uns unterwegs. Und wo sie danach
noch waren, Gérard und sie...“
    „Trotzdem wird sie kurz
gehalten. Sie schleicht sich zu Hause durch die Hintertür raus. Dafür hat sie
sich extra einen Nachschlüssel machen lassen. Wenn ihr Vater das rauskriegt,
ist die Hölle los. Vater Lachal kennt keinen Spaß. Mehr Staats- als
Rechtsanwalt.“
    „Er ist Anwalt?“
    „Ja. Und unbeugsam wie das
Gesetz. Er hat Yolande zum Jurastudium gezwungen. Ihr geht das völlig gegen den
Strich. Was sie tatsächlich interessiert, ist das Theater. Das kommt für ihren
Vater natürlich nicht in Frage. Schauspieler kommen bei ihm noch nach Farbigen.
Und die liegen schon weit genug hinten.“
    „Aha! Rassist?“
    „Hundertprozentig. Oh! ...
Vielleicht sind Sie ja auch einer ..
    „Kommt auf den Tag an, auch bei
mir. Vor ungefähr hundert Jahren hab ich mitgeholfen, eine Zeitung unter die
Leute zu bringen, Le Cri des Nègres. Aber wenn ich die Aushänge vor
einem Cabaret antillais sehe, nur nackte Schwarze, die ausschließlich
mit wunderschönen, ebenfalls nackten Weißen mit blonden Haaren tanzen, dann
kotzt mich das an. In solchen Bildern zeigt sich meiner Meinung nach auch ein
ganz bestimmter Rassismus. Die totale Verbrüderung, das sind dann tolle
Liebesspiele zwischen Weißen und Negerinnen. Was ich dazu meine, gefällt weder
den Rassisten noch den Nicht-Rassisten. Und Sie, was denken Sie darüber?“
    „Ach, ich weiß nicht. Ich habe
nichts gegen Schwarze, aber ich würde mich nie so verhalten wie Yolande.“
    „Schläft sie mit einem?“
    „Ja. Wenn das ihr Vater
erfährt!“
    „Da seh ich schwarz für sie. Na
gut. Aber jetzt haben Sie mir immer noch nicht gesagt, wo ich sie treffen
kann.“
    „Na ja... Ich hab sie seit neulich
nicht mehr gesehen. Aber sie wird ja inzwischen ihre Gewohnheiten nicht
geändert haben. Nach der Uni geht sie häufig ins Capoulade. Ihre Eltern wohnen
in der Avenue des Gobelins. Die Nummer weiß ich nicht. Steht im Telefonbuch.
Und dann kann man sie auch noch bei ihrem Freund treffen.“
    „Dem Neger?“
    „Ja.“
    „Wo?“
    „Place de la Contrescarpe. In
dem Haus wohnen fast nur Schwarze. Im Erdgeschoß ist ein Bal antillais. Ach, vielleicht haben Sie dort die Bilder gesehen.“
    „Nein, das war nicht da.“
    „Hab ich nur so gesagt. Ich bin
noch nie dagewesen. Also, da wohnt Toussaint .“
    „Toussaint ?“
    „Toussaint
Lanouvelle. So
heißt er.“
    Die Kerle haben aber auch
Namen! Na ja, ich heiß Nestor Burma. Ist auch nicht viel besser.
    „Er hat in dem Haus eine kleine
Wohnung. Yolande ist natürlich oft da.“
    „Danke. Wie geht’s Mauguio?“
    „Geht so. Dr. Leverrier war
noch mal bei ihm. Er befürchtet keine Komplikationen.“
    „Wie schön für ihn. Bis
demnächst. Auf Wiedersehn, Jacqueline.“
    „Auf Wiedersehen, Monsieur.“
    Schweißgebadet legte ich auf.
    Man quatscht und quatscht, regt
sich auf, und dann, zack !, zeigt das Thermometer 41.
     
    Gegen fünf Uhr kam mein Freund.
Er untersuchte mich gründlich und ließ mir zusätzlich zu den Ermahnungen ein
halbes Dutzend Ärztemuster da. Ich vergaß die Ermahnungen, schluckte von den
Pillen eine bunte Mischung und spülte mit Whisky nach. Entweder würde mich das
um- oder hochbringen.
    Die ganze Nacht hindurch hielt
ich einen Vortrag an der Sorbonne vor ausgewähltem Publikum. Wissenschaftler
von Weltruf. Die Hündin Frisette, die die Russen im November an Bord des
zweiten Satelliten in den Himmel geschickt hatten... Frisette, das erste
Lebewesen im Weltraum... Frisette, schon totgesagt... das war ich,
quicklebendig, wieder zurück von meinem phantastischen Ausflug. Ich durchlebte
meine Eindrücke so intensiv, daß ich das Gefühl hatte, immer noch dort zu sein,
in dieser verdammten Eisenkugel!

Wilde Sinfonie an der Place de la Contrescarpe
     
    Aber am nächsten Morgen ging’s mir
viel besser, und gegen Mittag war alles wieder in Ordnung. Grippe bekämpft man
am wirksamsten in Höhenluft. Der Kopf war noch etwas schwer, wie bei einem
Kater. Aber in diesem Zustand bin ich schon häufiger nach

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