Banalverkehr - Roman
nicht erwähnt, dass das während der Nacht mit dem griechischen Barkeeper passiert ist. Schließlich bin ich eine Blume.
Gut, das sind wir ja alle irgendwie. Aber Lutz rangiert eher so unter den Stiefmütterchen, während ich zu den Lilien gehöre, zu den Schwertlilien. Die von van Gogh kosten knapp vierundfünfzig Millionen Dollar. Da weißte Bescheid, haha.
Jedenfalls arbeitet Lutz auch in der Agentur. Als Mädchen für alles. Eigentlich wurde er mal als Texter eingestellt, aber seine Slogans waren noch furchtbarer als sein Topfhaarschnitt, und deswegen kopiert er jetzt, holt Zigaretten und schmiert Brötchen. Das wiederum kann er richtig gut, und seitdem Otto, unser Chef, Lutz’ Talent zum Kombinieren von Weißbrot, Butter, Käse und Salatblättern entdeckt hat, gibt es jeden Vormittag eine Runde Käsebrötchen für alle. »Von Otto spendiert, von Lutz geschmiert.« Ein furchtbarer Slogan. Könnte glatt von Lutz sein.
»Lutz, du musst sofort herkommen!«, befehle ich also durch die Leitung, als ich zu Hause bin.
»Wirklich? Jetzt? Oh Mann, Puppe, ich schreib grad noch ein paar Rezepte aus dem Netz raus, und dann wollte ich eigentlich ins Bett.«
»Es ist Viertel nach neun.«
»Eben!«
Lutz ist übrigens, neben seinem Topfhaarschnitt, auch sonst ein Lutz, wie man ihn sich vorstellt: klein, ein bisschen hässlich und ausgesprochen langweilig. Er ist 31 und bei seiner Mutter großgeworden. Sein Vater ist irgendwann mal ertrunken. Oder die Mutter hat sich von ihm scheiden lassen, weil er so oft betrunken war, das weiß ich nicht mehr genau. Auf jeden Fall ist Lutz damit aufgewachsen, es einer Frau recht zu machen. Er kann kochen, putzen, waschen, bügeln und mag Porzellangeschirr mit kleinen floralen Drucken.
»Lutz, jetzt ! Und bring mir einen Krapfen mit!«
»Krapfen? Wo soll ich denn jetzt noch einen Krapfen auftreiben?« Seine Stimme überschlägt sich vor lauter Panik ob der schier unlösbaren Aufgabe, und es ist glasklar, warum er bei den Brötchen besser aufgehoben ist als im Kreativteam. Er wird schnell nervös und hasst es, improvisieren zu müssen, was sicher daran liegt, dass bei Familie Lutz eher die Lindenstraße im Fernsehen lief als MacGyver .
»Mann, Lutz! Wir leben in einer Großstadt mit Hauptbahnhof, in dem es ungefähr fünfhundert Bäckereien gibt, die alle mindestens bis Mitternacht aufhaben.«
»Ich glaube, du übertreibst ein bisschen. Das sind doch niemals fünfhundert.«
»Lutz! Jetzt ! «
Und dann tutet es in der Leitung. Lutz hat aufgelegt, und ich sehe ihn vor mir, wie er ins Badezimmer rennt, sich den Topf kämmt und dann seinen Rucksack schnürt. Mit über dreißig trägt er tatsächlich immer noch einen Rucksack. Vermutlich packt er vorsorglich noch ein bisschen Werkzeug rein, weil ich sonst um diese Uhrzeit nur anrufe, wenn irgendetwas kaputt ist.
Auf Lutz kann man sich verlassen, eine optimale Grundlage, um sich den Rest schönzureden. Vielleicht hat Lene auch genau das gemeint: Es muss ja nicht immer die Delikatesse sein, manchmal tut’s auch ein gemeiner Krapfen, Hauptsache, der Magen ist gefüllt. Hauptsache, ich bin nicht mehr alleine. Während ich so darüber nachdenke, werde ich wirklich sauer. Sie hätte mir früher sagen müssen, dass wir unser Leben ändern wollen, dann hätte ich mich besser vorbereiten können. Mir einen attraktiveren Mann als Lutz aussuchen zum Beispiel. Aber Jammern hilft jetzt auch nicht. Zurück zum Schönreden: Lutz ist nett und kann kochen und Sachen reparieren. Ach, vielleicht sollte ich es lieber direkt mit Schönsaufen probieren. Oder ich mache es wie meine Muschi und fange an Drogen zu nehmen.
Eine knappe halbe Stunde nach unserem Telefonat nehme ich drei große Bäckertüten entgegen.
»Ich wusste nicht, was für einen Krapfen du wolltest«, Lutz ringt nach Luft, »ich hab einfach mal von jedem einen gekauft.«
Ich nicke, nehme die Tüten entgegen und breite die Krapfenkolonie auf dem Küchentisch aus. Ein Schlaraffenland für eine Teilzeit-Bulimikerin wie mich, aber im Moment habe ich höhere Ziele. Ich muss jetzt so einen blöden Krapfen essen und den besser finden als Sushi, damit ich mich in Lutz verlieben kann. Ich stehe ein bisschen unschlüssig vor dem Tisch. »Nur, weil man sonst immer Sushi isst, heißt das doch nicht, dass man sich nicht auch ab und zu mal einen Krapfen gönnen darf.« Einen , hat sie gesagt. Nicht ein Dutzend. Nur welchen?
Lutz sieht mich an, seit frühester Kindheit Opfer weiblicher Intuition, er
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