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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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die sie mit schwarzem Kajal so eine Art Waschbärenbrille malt, die kleine Nase, die sie kräuselt, wenn jemand schlecht angezogen ist, und die rosa glitzernden Lippen, die sie verzieht, wenn ein hässlicher Typ es wagt, sie anzusprechen. Ihre Haare, die ein ganzes Zimmer mit ihrem penetranten Kokosduft terrorisieren können. Wie sie kichert und dabei klingt wie ein Hamster. Natürlich bin ich nicht in Lene verliebt, bloß dass das klar ist. Aber es hat mit Liebe zu tun, das bestimmt. Wir teilen eine Geschichte und ihr Leben, genau wie meins, wäre ohne die andere ziemlich einsam. Seltsame Menschen haben es schwer, weil sie es schaffen, jede Situation zu verkacken, sie kleiden sich unpassend, sagen unpassende Dinge, sogar ein Blick oder eine bestimmte Art zu atmen kann normale Menschen verschrecken. Mein Leben war vorbei an dem Tag, an dem ich zu Hause ausziehen musste, weil mein Alter als ernstzunehmende Referenz für Überlebensfähigkeit galt. Ich war für ein paar Momente allein und irgendwie Teil einer neuen Sphäre, in der ich so dahingetrieben bin, aber dann kam Lene, und wir stellten fest, dass zwei seltsame Menschen mit all ihrer Unanpassungsfähigkeit viel Spaß haben konnten. Wir haben Bäume umarmt. Wirklich. Jeden einzelnen auf dem Campus.
    »Willst du heute Abend lieber Brokkoligratin oder Buttergemüse zum Putensteak?« Warum kann ich nicht einfach tot umfallen?
    »Na?« Lutz bindet sich eine Schürze um (die muss er von zu Hause mitgebracht haben. Als hätte die Zahnbürste nicht gereicht!) und fängt an, im Küchenschrank nach den richtigen Töpfen zu suchen.
    »Puppe?« Oder besser: Du fällst tot um! Mitsamt dieser hässlichen Schürze.
    »Was?«
    Lutz unterbricht die Topfsuche, dreht sich um und stemmt die Hände in die Hüften. »Brokkoligratin oder Buttergemüse?« Und das in einem Ton! Aber – ist klar: Wer wäre da nicht empört, wenn die Freundin (Freundin!) dieser elementaren Frage nicht mit dem angebrachten Ernst begegnete. »Also?«
    Erneuter spontaner Wunsch nach Um falltod. Such dir einfach einen aus, lieber Gott, ihn oder mich. Mir egal.
    »Mir egal. Mach, was du willst.« Ich hatte schon Männer, die sich nach so einem Satz die Schürze vom Leib gerissen und mich zwischen dem marinierten Putensteak und der Packung mit dem Tiefkühlgemüse auf dem Küchentisch durchgevögelt hätten. Aber nicht Lutz. Der entscheidet sich, den Brokkoli fürs Gratin zu putzen. Er steht nämlich grundsätzlich nicht so auf gemeinsame körperliche Aktivitäten, was dazu geführt hat, dass ich ernsthaft über die Anschaffung eines Vibrators nachdenken musste, bis ich entdeckt habe, dass es manchmal auch Vorteile hat, wenn ein Mann seine Zahnbürste im Bad parkt. Zumindest, wenn es eine elektrische ist.
    »Ich hab uns Titanic ausgeliehen«, sagt Lutz, während er liebevoll die Brokkoliröschen in die gebutterte Auflaufform sortiert.
    »Super«, presse ich heraus und spiele im Kopf meinen eigenen Film ab. Ein Dokumentarstück über zwei Menschen, die mit Pute und Brokkoli auf ihren Tellern vor dem Fernseher sitzen, während sich eine reiche, leicht übergewichtige Rothaarige auf einer Schifffahrt in einen kleinen, armen Jungen verliebt. Gerade mal eins sechzig groß und gleich die Weltherrschaft anstreben, da kann man doch nur mit dem Kopf schütteln. Blöder Film. Eine einzige Kameraeinstellung, eine einzige, ewig lange Sequenz, ungeschnitten, auf 35 Millimeter gebannte Monotonie. Das soll es sein? Das soll es sein, was Lene meinte, als sie sagte, es gäbe nichts, was sie sich mehr wünschen würde? Das? Was ist mit dem Blockbuster, der hier früher lief, im Großen Saal? Über diese zwei Mädchen und ihr wildes, glitzerndes Leben? Mit den vielen schnellen Schnitten und den bunten Bildern? Und der treibenden Musik?
    Abgesetzt. Einfach abgesetzt.
    »Schmeckt’s dir?«, fragt Lutz.
    »Super«, nuschele ich und schiebe mir ein Brokkoliröschen in den Mund. Ich will weg. Zurück in den anderen Film mit den schnellen Schnitten und den bunten Bildern. Und der treibenden Musik. Irgendwo gab’s doch da auch ein paar heiße Sexszenen. Yeah.
    »Zum Nachtisch gibt’s Mousse au Chocolat.«
    Mach dich nackig, Mister Siebzehn-Zentimeter.
    »Mit frischen Erdbeeren und Sahne.«
    Sahne, Doppel-Yeah, was man damit nicht alles anstellen kann. Ich versuche eine Szene mit Mister Siebzehn-Zentimeter und einer Flasche Sprühsahne zu drehen, aber irgendwie klappt es nicht. Konzentrier dich, Puppe! Mach schon!
    Verdammt. Ich muss

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