Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
meine Augen rot, und draußen ist es dunkel. Ich will zurück in mein Hotel.
Ich laufe bis ein Uhr nachts durch die Straßen dieses furchtbaren Orts und kann mein Hotel nicht finden. Es blinkt rosa hier und lila dort, ständig schreit jemand «Sexyyy man!» und «You! Come in!» nach mir, überall sehe ich Tennissocken in Sandalen, Grillhendl, dicke Deutsche, blöde Belgier. Ich will heim ins Bett und am nächsten Tag raus aus diesem Scheißloch. Aber ich finde mein Hotel einfach nicht.
Stattdessen treffe ich Ao. Sie schreit nicht «Sexyyy man», sondern fragt mich ganz ruhig, wo ich hinwill. Ich sage: «Zu meinem Hotel», und dass ich nicht mehr weiß, wo es ist, und sie zeigt mir den Weg. Sie fragt mich, ob ich mit ihrer Freundin noch etwas an einem Straßenstand essen wolle, und weil ich den ganzen Tag nur «Age of Empires» gespielt habe, sage ich ja. Sie ist hübsch, wenn auch etwas grell und bleich geschminkt. Ihre fülligen Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, sie trägt ein dunkelblaues, knappes Kleid und silberne Ohrringe. Sie führt mich zu einem Nudelstand auf der Straße. Wir sitzen auf kleinen roten und blauen Plastikstühlen. Ihre Freundin ist ein Ladyboy und schon fast eine Frau. Leider aber nur fast. Sie hat etwas spitz zulaufende Ohren, ein paar Bartstoppeln und keine Brüste, sodass sie ein bisschen wie Mr. Spock aussieht. Ihr geht es sehr schlecht. Ihr Freund aus Frankreich hat sich überraschend angekündigt. Das Problem ist: Ihr Freund denkt, sie sei eine echte Frau. Seit einer Woche ist sie es ja auch. Fast.
«Davor», erzählt sie, «hatten wir noch nie Sex. Ich habe immer gesagt, nein, eine echte Thai-Lady macht es nicht gleich in der ersten Nacht. Ich habe ihn hingehalten, weil ich dachte: Wenn er drei Monate nach der Geschlechtsumwandlung kommt, ist alles in Ordnung. Ich bin dann eine echte Thai-Lady mit einer echten Vagina.»
«Bist du doch jetzt auch.»
«Ja, aber ich darf die ersten Wochen nach der Geschlechtsumwandlung keine Hormone nehmen. Deshalb habe ich jetzt einen Bart und keine Brüste!»
Sie streicht sich mit einer übertrieben betonten Geste über Backen und Brust. «Wenn er jetzt kommt, wird er merken, dass ich ein Ladyboy war, und meine ganze Beziehung ist kaputt!»
Ao versucht, ihre Freundin zu trösten. Wir lachen und essen Pad Thai. Manchmal, wenn wir lachen, berührt mich Ao am Unterarm. Der Ex-Ladyboy schlägt vor, dass wir alle auf mein Hotelzimmer gehen könnten, um noch etwas zu trinken. Wir kaufen eine Flasche Mekong-Whiskey und vier von diesen thailändischen Red-Bull-Medizinfläschchen, deren Wirkung der von Speed ähnelt. Der Ladyboy erzählt Geschichten von blöden Firangi, die Ladyboys nicht von echten Thai-Ladys unterscheiden können, was für Laien tatsächlich nicht so leicht ist, weil Ladyboys sehr zierlich, sehr hübsch und sehr weiblich aussehen. Das Einzige, woran man Ladyboys mit Sicherheit erkennen kann, sind die großen Hände und der stärker ausgebildete Adamsapfel. Wir lachen sehr viel und sitzen zu dritt auf meinem Bett. Draußen von der Straße dringen Stimmen herauf und das laute Boom Boom der Nuttenbars. Es ist so viel besser, hier zu sein.
Irgendwann sagt Ao: «500 Baht.»
Ich weiß nicht, was sie meint.
«500 Baht, damit ich die ganze Nacht hierbleibe.»
Ich sage, dass das auf gar keinen Fall geht, weil ich nicht Klaus oder Onkel Horst bin. Ich versuche, ihr zu erklären, dass Leute wie ich auf eine ganz andere Art reisen, dass wir auch an dem Land und an der Kultur und vor allem an den Menschen interessiert sind. Dass wir nicht hierherkommen, um Sex zu haben oder Grillhendl zu essen und deutsche Zeitungen zu lesen. Und dass ich eigentlich hier gar nichts zu suchen habe, weil ich woanders hingehöre. Dass ich noch nie für Sex bezahlt habe und es auch nicht vorhabe, weil es eine Form der Ausbeutung ist, und dass …
Sie sagt: «Bitte!»
Ich sage: «Auf keinen Fall.»
Der Ladyboy meint, 500 Baht seien wirklich sehr günstig, und ich sei ein «very sexy man».
Ich schüttle den Kopf.
Ao sagt, 400 Baht seien der Betrag, den sie dem Barbesitzer geben müsse, für den sie arbeite. 400 Baht seien wirklich das Allermindeste, was sie bräuchte. Sie ist verpflichtet, ihm jeden Abend 400 Baht zu geben, alles darüber hinaus wandere in ihre eigene Tasche, aber 400 Baht brauche sie.
Ich sage, wenn ich das täte, wäre ich doch auch nicht besser als die aufgeschwemmte Viagrafraktion unten auf der Straße. Was würde
Weitere Kostenlose Bücher