Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Finger, und anschließend nehmen sie dich aus wie eine Weihnachtsgans. Ich habe meine Frau vor 13 Jahren hier in Pattaya in einer Bar kennengelernt. Hab Urlaub hier jemacht.»
Klaus zündet sich eine HB-Zigarette an und nimmt einen Schluck Pils. Seine Augen sind rot. Vom Weinen, vom Saufen?
«Total verliebt waren wir. Sie wollte unbedingt mit mir nach Deutschland, also sind wir zu mir nach Berlin geflogen, in den Wedding. Da war auch noch gut, war ’ne gute Hausfrau, und auch im Bett lief allet jut, sie wollte aber kein Deutsch lernen. Hat sich allet jeändert, als das Kind da war. Plötzlich hat die ständig Stress gemacht, wollte zurück nach Thailand.»
Klaus willigte schließlich ein, die drei zogen zu der Familie seiner Frau in ein kleines Dorf in den Norden Thailands.
«Ich konnte kein Wort Thai, die hat mich plötzlich komplett ignoriert. Ick sollte für die ganze Verwandtschaft zahlen. Ick mein, ick bin doch nicht die Melkkuh.»
Und jetzt?
«Keenen Kontakt mehr. Det Kind seh ich auch nicht mehr. Ich sag es dir, lass die Finger von den Weibern hier.» Klaus macht eine bedeutungsschwangere Pause, dreht einen Hühnerspieß um 90 Grad und drückt seine HB im Aschenbecher aus. Dann sieht er mich aus seinen kleinen roten Augen an: «Die wollen nur deine Kohle, Junge!»
Neben mir sitzt Horst. Er sagt, dass alle ihn hier «Onkel Horst» nennen, warum, weiß er nicht mehr.
«Ich weiß schon, warum!», sagt Klaus.
Horst raucht auch HB, trinkt aber Singha. «Ist nicht verkehrt, das Bier, das sie hier machen. Ist nicht verkehrt», sagt er. Er trägt einen Schlapphut und ein kurzärmeliges Hawaiihemd, das er nicht zugeknöpft hat und das überhaupt keine Anstalten macht, seinen imposanten, behaarten Bierbauch zu verhüllen.
«Er hat recht, der Klaus», sagt Onkel Horst. «Bei den Weibern musst du aufpassen hier. Die zocken dich ab, wo es nur geht.»
Ein Mädchen, dessen Körperumfang ein Viertel von Onkel Horst beträgt, schleicht kichernd um ihn herum. Onkel Horst tätschelt ihr den Hintern. «Ich zahl deswegen nie mehr als die Hälfte von dem, was sie anfangs wollen. Die verdienen sich sonst dumm und dämlich mit dir, die kleinen Biester.»
In einem Café neben meinem Hotel treffe ich Yves, einen Belgier. Er isst eine Portion Pommes und trinkt Heineken. Ich will wissen, ob man das Essen hier probieren kann. «Ich habe gehört, es ist überall Hund drin, und in jeder Küche wimmelt es vor Kakerlaken. Ich habe keine Lust, krank zu werden.»
Yves ist Anfang 40 und zum ersten Mal in Thailand. Er trägt ein beigefarbenes Hemd und eine beigefarbene Dreiviertelhose. Mit seinem ebenfalls beigefarbenen Schlapphut sieht er aus wie ein Abgesandter Leopolds II. auf Kolonialisierungsmission in Belgisch-Kongo. Zuvor hat er immer in Kenia Urlaub gemacht. «Super Frauen», sagt er, spitzt Zeigefinger und Daumen vor seinem Mund und macht ein Schmatzgeräusch. «Aber auf Dauer immer nur Schwarze – das ist langweilig. Ein erwachsener Mann braucht Abwechslung.» Bekannte aus einem Internetforum hätten ihm Pattaya empfohlen.
Am nächsten Tag versuche ich wieder, den Strand zu erreichen. Das Lächeln fällt mir nun schon schwerer. Ich will nicht unfreundlich sein, aber ich mag es nicht, wenn man an mir herumzerrt und mir so laut «sexyyyyy» ins Ohr brüllt, dass ich die nächsten fünf Minuten nur ein hohes Fiepen höre. Dieser Ort ist oversexed und overfucked.
Ich brülle zurück: «Let me go!»
Sie schreit: «Sexy man, come in!»
Ich schreie: «No!»
Sie: «Why not? Very cheap!»
Ich renne die Straße hinunter zum Strand. Alles scheint hier zu bumsen, und wenn es nur das «Boom Boom» des aus allen Etablissements dröhnenden Thai-Pops ist. Die Stadt ist eine einzige, grell geschminkte Hure. Ich schäme mich für Klaus und Onkel Horst und für mich selbst, weil ich Teil dieses Sündenpfuhls geworden bin.
Im Meer schwimmt eine Windel, Öl von einem Motorboot bildet Schlieren auf der Wasseroberfläche. Wo ist das schöne, entspannte, liebliche Thailand geblieben? Wo sind die bekifften Thai-Rastafaris, die den ganzen Tag Manu Chao und Bob Marley hören? Wo kann man unter einer Palme beim Rauschen des Meeres über den Sinn des Lebens oder die scheinbare Sinnlosigkeit einer deutschen Erwerbstätigkeit nachdenken? Hier ist alles so kaputt.
Ich setze mich in ein Internetcafé und entdecke auf dem Rechner das Computerspiel «Age of Empires III». Als ich wieder ins Freie trete, sind meine Hände und Füße eiskalt und
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