Band 1 - Blutspur
hörte Ivy nach Luft schnappen, bevor Nick fortfuhr. »Wie lange hast du schon hier gelebt und darauf gewartet, dass Rachel den Job an den Nagel hängt? Einen Monat, ein Jahr? Versuchst du es bei ihr mal mit einer geruhsamen, schleichenden Jagd, Tamwood?
Viel eicht sogar in der Hoffnung, sie zu deinem Nachkommen zu machen, wenn du stirbst? Eine kleine Langzeitinvestition, ist es das?«
Ich versuchte, meinen Kopf von Nicks Brust zu heben, um sie besser verstehen zu können. Meine Gedanken überschlugen sich. Ivy war doch am selben Tag eingezogen wie ich, oder etwa nicht? Ihr Computer war noch nicht ans Netz angeschlossen gewesen, und in ihrem Zimmer hatten Umzugskartons herumgestanden. Wie konnten also ihre Zeitschriften schon an die Kirche adressiert sein? Der einzigartige Hexengarten und die Zauberbücher auf dem Speicher fielen mir ein, zusammen mit ihrer perfekten Hintergrundgeschichte. Gott, was war ich nur für ein Idiot!
»Nein«, erwiderte Ivy leise. »Es ist nicht so, wie es aussieht.
Bitte sag ihr das nicht, ich kann es erklären.«
Nick setzte sich wieder in Bewegung und trug mich die steinernen Stufen hoch. Langsam kehrte meine Erinnerung zurück. Nick hatte mit dem Dämon einen Pakt geschlossen, ihn befreit. Der Dämon hatte mich in einen Schlaf versetzt und durch die Kraftlinien gezwungen. Verdammt. Als die Kirchentür hinter uns zuschlug, zuckte ich zusammen und stöhnte, da die schnel e Bewegung heftige Schmerzen auslöste.
»Sie kommt wieder zu sich«, stel te Ivy fest. »Bring sie ins Wohnzimmer.«
Nicht auf die Couch, dachte ich, als die Ruhe des Altarraums mich umgab. Ich wol te nicht, dass mein Blut Ivys Couch versaute. Andererseits hatte sie wahrscheinlich schon öfter Blut gesehen.
Nick beugte sich vor, und ich fühlte weiche Kissen unter meinem Kopf. Als er mich aus seinen Armen gleiten ließ, hörte ich, wie der Schalter der Tischlampe betätigt wurde.
Die plötzlich einsetzende Hel igkeit ließ mich das Gesicht verziehen.
»Rachel?«
Jemand berührte sanft mein Gesicht.
»Rachel.« Es wurde ruhig im Zimmer. Die unvermittelte Stil e zwang mich, endgültig wach zu werden. Blinzelnd öffnete ich die Augen und sah Nick neben mir knien. Unter seinem Haaransatz sickerte immer noch Blut hervor, doch die Spuren an Kiefer und Hals waren inzwischen getrocknet.
Seine Haare waren völ ig zerzaust und seine braunen Augen sorgenvol zusammengekniffen. Kurz gesagt, er sah fürchterlich aus. Ivy stand hinter ihm, zu besorgt, um Abstand zu halten.
»Du bist's«, flüsterte ich. In meinem Kopf drehte sich al es.
Nick atmete auf und lehnte sich zurück. »Kann ich etwas Wasser haben? Ich fühl mich nicht so gut«, krächzte ich.
Ivy lehnte sich vor, wodurch ich nicht mehr vom Licht geblendet wurde. Sie inspizierte meinen Körper mit professionel er Distanz, die sich jedoch in Luft auflöste, als sie Nicks behelfsmäßigen Verband an meinem Hals anhob.
Der Anblick verwirrte sie offenbar. »Die Blutung ist schon fast gestil t.«
»Liebe, Vertrauen und Pixiestaub«, lal te ich, und Ivy nickte.
Nick sprang auf. »Ich werde einen Krankenwagen rufen.«
»Nein!«, rief ich. Ich versuchte mich aufzusetzen, wurde aber von der Erschöpfung und Nicks Händen daran gehindert. »Da können sie mich schnappen. Die I. S. weiß, dass ich noch lebe.« Ich fiel keuchend zurück. Der Bluterguss in meinem Gesicht pochte im Einklang mit meinem Puls, ebenso die Bisswunden an meinem Handgelenk. Mir war schwindlig. Beim Einatmen tat mir die Schulter weh, beim Ausatmen wurde mir schwarz vor Augen.
»Jenks hat sie eingestaubt«, sagte Ivy, als ob das al es erklären würde. »Solange sie nicht wieder anfängt zu bluten, wird sich ihr Zustand wohl nicht weiter verschlechtern. Ich hole ihr eine Decke.« Sie erhob sich mit überirdischer Eleganz. Der Vampir in ihr kam durch, und ich war nicht in der Verfassung, etwas dagegen zu tun.
Als sie gegangen war, sah ich Nick an. Er sah krank aus.
Der Dämon hatte ihn reingelegt. Er hatte uns zwar wie versprochen nach Hause gebracht, trieb sich jetzt aber ungehindert in Cincinnati herum. Und das al es, obwohl Nick einfach nur hätte warten müssen, bis Jenks mit Ivy zurückgekommen wäre.
»Nick?«, hauchte ich.
»Was kann ich dir Gutes tun?« Seine Stimme war besorgt und weich, mit einem schuldbewussten Unterton.
»Du bist ein Esel. Hilf mir, mich aufzusetzen.«
Er zuckte zusammen, half mir dann aber vorsichtig hoch, bis ich mich gegen die Armlehne der Couch stützen
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