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Band 1 - Blutspur

Band 1 - Blutspur

Titel: Band 1 - Blutspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Sprüche auf den beleuchteten Werbeschildern im Vorgarten gelesen.
    Das fensterlose Foyer war mit schwarzen Holzpaneelen ausgekleidet. Warm und ruhig war es hier und die Atmosphäre der heiligen Handlungen schien noch immer präsent zusein. Ich stel te den Karton auf dem Holzboden ab und bewunderte das Spiel der grünen und bernsteinfarbenen Sonnenstrahlen, die durch das Buntglasfenster fielen.
    »Bin sofort unten!« Ivys fast schon fröhliche Stimme schien von weither zu kommen. Wo in al er Welt war sie? Ihre Stimme tönte von überal und nirgends.
    Das leise Klicken eines Riegels war zu hören und Ivy kam hinter einem der Paneele hervor. Hinter ihr konnte ich eine schmale Wendeltreppe erkennen, die nach oben führte. »Ich habe meine Eulen im Glockenturm untergebracht.« Ihre braunen Augen waren strahlender, als ich sie je gesehen hatte. »Es ist ein idealer Lagerraum, vol er Regale und Trockenständer. Al erdings hat irgendjemand seine Sachen da oben zurückgelassen. Sol en wir es später zusammen durchgehen?«
    »Das ist ein Kirche, Ivy.«
    Sie blieb stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich an; ihr Gesicht war auf einmal ausdruckslos.
    »Da sind tote Leute im Garten«, fügte ich hinzu. Sie riss sich zusammen und ging in den Altarraum. »Du kannst die Grabsteine von der Straße aus sehen!« Ich blieb hartnäckig und folgte ihr hinein.
    Die Kirchenbänke und der Altar waren verschwunden, sodass der Raum nun leer war bis auf das Podium. Die Holzverkleidung unter den großen, nicht zu öffnenden Buntglasfenstern war die gleiche wie im Foyer. Ein verblichener Schatten an der Wand erinnerte daran, dass hier mal ein riesiges Kreuz über dem Altar gehangen hatte. Die Decke war ungefähr drei Stockwerke hoch. Während ich meinen Blick über das Gebälk schweifen ließ, überlegte ich, wie schwer der Raum im Winter zu beheizen sein musste. Es war nur ein ausgeräumter großer Raum, aber diese nüchterne Leere schien das Gefühl des Friedens zu verstärken.
    »Und wie viel wird das Ganze kosten?«, fragte ich in dem Versuch, meine Wut aufrechtzuerhalten.
    »Siebenhundert im Monat, Nebenkosten - ahm -
    inklusive«, erwiderte Ivy ruhig.
    »Siebenhundert.« Ich war überrascht. Mein Anteil wären dann dreihundertfünfzig; für meine Einzimmer-»Residenz« in der Stadt zahlte ich vierhundertfünfzig. Das war gar nicht mal schlecht. Und es gab einen Garten. Nein, dachte ich und meine schlechte Laune kehrte zurück. Es ist ein Friedhof.
    »Wohin gehst du?«, fragte ich Ivy, die sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. »Ich rede mit dir!«

    »Ich hole mir eine Tasse Kaffee. Wil st du auch eine?« Sie verschwand durch die Tür an der Rückseite des Podiums.
    »Okay, die Miete ist günstig - ja, ich wol te etwas Bil iges.
    Aber es ist eine Kirche! Man kann doch kein Geschäft von einer Kirche aus führen!« Wütend stapfte ich hinter ihr her, vorbei an sich gegenüberliegenden Damen- und Herrentoiletten. Ein paar Schritte weiter kamen wir an einer geöffneten Tür vorbei. Ich warf einen flüchtigen Blick in den leeren Raum - er hatte eine angenehme Größe, auch wenn er ein wenig hal te. Das Buntglasfenster mit Heiligendarstel ungen wurde durch einen Stock offen gehalten, um den Raum auszulüften. Von draußen drang das Geräusch schimpfender Spatzen herein. Das Zimmer sah aus wie ein ehemaliges Büro, das zu einer Schlafstube für Kinder umfunktioniert worden war. Der Holzboden war staubig, aber abgesehen von ein paar Kratzern völ ig intakt.
    Etwas besänftigt schaute ich über den Flur in den gegenüberliegenden Raum. Dort standen einige offene Kisten und ein ordentlich gemachtes Bett. Bevor ich genauer hinsehen konnte, tauchte Ivy vor mir auf und zog die Tür zu.
    »Das sind deine Sachen.« Fassungslos starrte ich sie an.
    Ihr Gesicht war ausdruckslos. Das flößte mir mehr Angst ein, als wenn sie mich in ihren Bann gezogen hätte. »Ich werde eine Weile hier bleiben müssen, bis ich irgendwo ein Zimmer gefunden habe.« Sie zögerte und schob sich eine Haarsträhne hinter's Ohr. »Hast du ein Problem damit?«
    »Nein«, erwiderte ich leise und schloss irritiert die Augen.
    Heilige Philomena! Schließlich musste ich auch im Büro leben, bis ich al es geklärt hatte. Ich öffnete die Augen und erschrak, als ich Ivys Blick auffing. Es war eine Mischung aus Angst und - Vorfreude?
    »Ich werde mich auch hier einquartieren müssen.« Das Ganze gefiel mir überhaupt nicht, aber es gab wohl keine andere Möglichkeit.

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