Band 2 - Blutspiel
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»Ivy«, krächzte ich, »lass mich runter.« Sie kral te die Hand noch fester in meinen Hals, und ich keuchte.
»Nicht so!«, schrie Jenks. »Ivy! Das ist nicht das, was du wil st.«
Die Finger an meiner Kehle verkrampften sich. Meine Lunge brannte. Das Schwarz von Ivys Augen schien sich auszudehnen, als mein Körper den Kampf langsam aufgab.
Mit letzter Kraft suchte ich nach der Linie, fand sie und stel te die Verbindung her. Der Sauerstoffmangel dämpfte ineine Sinne, aber es gelang mir, die einströmende Energie zu halten und mit einem mächtigen Schlag freizusetzen.
Ivy wurde zurückgeschleudert, und ich stürzte auf die Knie.
Röchelnd pumpte ich Sauerstoff in meine Lunge. Der Schmerz von dem heftigen Aufpral breitete sich in meinem Körper aus. Hustend tastete ich meinen Hals ab und versuchte gleichmäßig zu atmen. Jenks war nicht mehr als ein grün-schwarzer Fleck, zumindest, bis sich die schwarzen Punkte vor meinen Augen auflösten.
Als ich schließlich hochschaute, sah ich Ivy, wie sie zusammengekauert vor der Tür hockte, die Arme über den Kopf gelegt, als müsse sie sich vor Schlägen schützen, und monoton vor und zurück schaukelte. »Ich habe nein gesagt, ich habe nein gesagt, ich habe nein gesagt«, flüsterte sie wieder und wieder.
»Jenks«, keuchte ich, ohne den Blick von Ivy abzuwenden.
»Flieg los und hol Nick.«
Als ich mich aufrappelte, schwebte der Pixie vor mir. »Ich werde nicht gehen.«
Ich schluckte vorsichtig und griff mir noch einmal prüfend an den Hals. »Na los, hol ihn, fal s er nicht sowieso schon auf dem Weg ist. Er muss gespürt haben, dass ich die Linie benutzt habe.«
Jenks blieb unnachgiebig: »Du sol test abhauen. Lauf weg, solange du noch kannst.«
Ich schüttelte nur den Kopf und konzentrierte mich wieder auf Ivy. Ihr gesamtes Selbstvertrauen, ihre Zuversicht, es war al es zerstört, zurückgeblieben war nur dieses Häufchen Elend, das nicht aufhören wol te zu weinen. Ich konnte nicht gehen. Ich konnte sie nicht zurücklassen, nur weil es sicherer war. Sie brauchte Hilfe, und ich war die Einzige, die sie ihr geben und das viel eicht sogar überleben konnte.
»Verdammt noch mal«, schrie Jenks. »Sie wird dich umbringen!«
»Wir kommen schon klar«, beruhigte ich ihn, während ich zu ihr rüberhumpelte. »Hol Nick. Bitte. Ich brauche ihn jetzt.«
Sein unregelmäßiger Flügelschlag spiegelte seine Unent-schlossenheit. Endlich nickte er und sauste ab, und ließ eine Stil e zurück, die so bedrückend war wie die in einem Sterbezimmer. Schwer schluckend zog ich den Gürtel meines Bademantels enger und flüsterte vorsichtig: »Ivy? Komm, Ivy.
Ich bringe dich rein.« Entschlossen legte ich die Hand auf ihre Schulter, zog sie aber sofort zurück, als Ivy anfing zu zittern.
»Lauf«, flüsterte sie noch, bevor sie aufhörte, sich zu wiegen und in eine angespannte Starre verfiel. Dann hob sie mühsam den Kopf und sah mich an. Ihr Augen waren leer, das Haar hing ihr wirr ins Gesicht. »Lauf«, wiederholte sie.
»Wenn du wegläufst, weiß ich, was ich zu tun habe.«
Ich zitterte, rührte mich aber nicht vom Fleck, da ich sonst eine Instinktreaktion ausgelöst hätte.
Ihr Gesicht verlor jeglichen Ausdruck, dann runzelte sie ganz leicht die Stirn. Das Schwarz ihrer Augen wurde von einer Spur Braun durchbrochen. »Oh Gott, Rachel. Hilf mir!«, wimmerte sie.
Das war angsteinflößender als al es andere.
Meine Beine fühlten sich an wie Gummi, und al es in mir schrie danach wegzulaufen, sie auf den Treppenstufen liegen zu lassen und zu verschwinden. Niemand würde mir Vorwürfe machen deswegen. Doch stattdessen packte ich sie wieder unter den Armen und zog sie hoch. »Komm schon«, sagte ich behutsam. Meine Alarmglocken schril ten, als ich ihre heiße Haut berührte. »Ich bringe dich erst mal rein.«
Sie hing schlaff in meinen Armen. »Ich habe nein gesagt«, fing sie wieder an, und ihre Stimme wurde undeutlich. »Ich habe nein gesagt.«
Ivy war zwar größer als ich, aber ich konnte sie gut mit der Schulter stützen und ihr so das Gehen erleichtern. Ich zog mühsam die schwere Tür auf.
»Er hat mir nicht zugehört«, lal te sie zusammenhanglos, als ich sie über die Schwel e zog und die Tür hinter uns zufal en ließ, sodass die ekelhaften Gerüche der Überreste auf der Treppe ausgesperrt wurden.
Die Dunkelheit des Foyers war mir unheimlich, also stolperte ich vorwärts, bis wir den schwach beleuchteten Altarraum erreichten. Ivy krümmte sich und
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