Band 2 - Blutspiel
zum Mund und leckte ihn ab. Automatisch verkrampfte sich al es in mir.
Ivy begann wieder zu weinen. »Drei Jahre«, stieß sie erschöpft hervor. Tränen liefen über ihr Gesicht, und als sie sie mit dem Handrücken abwischte, beschmierte sie ihr Kinn mit Blut. »Drei Jahre. .«
Sie ließ den Kopf hängen und begann mechanisch am Reißverschluss an ihrer Hose rumzufummeln. Ich humpelte zur Tür. »Ich mache dir erst mal einen heißen Kakao«, versprach ich und zuckte innerlich zusammen, weil es so absolut unpassend klang. Zögerlich fragte ich: »Kann ich dich ein paar Minuten al ein lassen?«
»Sicher«, hauchte sie, und ich zog leise die Tür zu.
Auf dem Weg in die Küche fühlte ich mich wie in einem bösen Traum gefangen. Der Raum erdrückte mich fast mit seiner beängstigenden Stil e. Ivys improvisierter Schreibtisch mit seiner modernen technologischen Ausstattung bildete eine merkwürdig stimmige Ergänzung zu meinen glänzenden Kupferkesseln, den Porzel anlöffeln und den Kräutern am Trockenregal. Die Küche spiegelte uns perfekt wider - al es war sorgfältig räumlich getrennt, wurde aber durch die gemeinsamen Wände zusammengehalten. Ich hatte das Bedürfnis, jemanden anzurufen, zu schreien, zu fluchen und um Hilfe zu betteln. Aber sie würden mir ja doch nur al e raten, so schnel wie möglich zu verschwinden und Ivy im Stich zu lassen.
Mit zitternden Fingern holte ich die Milch und das Kakaopulver aus dem Schrank und begann, das Getränk anzurühren. Heißer Kakao, dachte ich verbittert. Ivy war vergewaltigt worden, und ich konnte nichts tun, außer ihr eine beschissene Tasse Kakao zu machen.
Es musste Piscary gewesen sein. Nur Piscary verfügte über die Stärke und war furchtlos genug, um sie zu vergewaltigen.
Und es war Vergewaltigung gewesen. Sie hatte ihn gebeten aufzuhören, und er hatte es gegen ihren Wil en getan. So etwas nennt man Vergewaltigung.
Der Timer an der Mikrowel e piepste, und ich zog den Gürtel meines Bademantels enger. Dabei entdeckte ich Blutspuren auf dem Mantel und auch auf meinen Hausschuhen. Zum Teil war es schon geronnen, doch es war auch frisches Blut aus der Halswunde dabei. Die dunkleren Flecken schienen den Stoff zu versengen; es war offenbar das Blut des untoten Vampirs. Kein Wunder, dass Ivy sich die Seele aus dem Leib kotzte, das Blut musste wie Feuer in ihrem Körper brennen.
Entschlossen ignorierte ich den Gestank des schwelenden Blutes, machte den Kakao fertig und brachte ihn in Ivys Zimmer. Die Dusche lief immer noch.
Die Strahlen der Nachttischlampe tauchten den in Weiß-
und Rosatönen gehaltenen Raum in sanftes Licht. Ivys Schlafzimmer entsprach, ebenso wie ihr Bad, so überhaupt nicht der klassischen Vorstel ung vom Unterschlupf eines Vampirs. Die lichtabweisenden Ledervorhänge waren hinter weißen Gardinen versteckt, und eine ganze Wand war komplett mit geschmackvol gerahmten Familienfotos bedeckt, sodass es fast wie eine Art Schrein wirkte.
Da gab es grobkörnige Aufnahmen von der versammelten Familie vor dem Weihnachtsbaum, al e noch im Bademantel und mit ungekämmten Haaren. Urlaubsbilder, auf denen sie mit breiten Hüten und sonnenverbrannten Nasen vor einer Achterbahn standen. Ein Sonnenaufgang am Strand, Ivy und ihre Schwester im Arm ihres Vaters, der sie so vor der morgendlichen Kälte schützte. Die aktuel eren Fotos waren zwar schärfer und kräftiger in der Farbe, aber lange nicht so schön. Das Lächeln der Abgebildeten wirkte mechanisch. Ivys Vater sah erschöpft aus. Die noch frische Distanzierung Ivys.
von ihrer Mutter war spürbar. Auf den neuesten Fotos tauchte ihre Mutter gar nicht mehr auf.
Ich wandte mich von den Bildern ab und schlug Ivys weiche Tagesdecke weg, um die schwarze Satinbettwäsche aufzudecken. Ein feiner Geruch von Holzasche stieg auf. Das Buch auf dem Nachttisch befasste sich mit Tiefenmeditation und Praktiken, die einen auf eine andere Bewusstseinsebene führen sol ten. Meine Wut flammte wieder auf. Sie hatte sich so sehr angestrengt, und jetzt war sie wieder bei Nul .
Warum? Was hatte es ihr jetzt noch gebracht?
Ich stel te die Tasse neben das Buch und ging über den Flur, um den blutverschmierten Bademantel loszuwerden.
Mit fahrigen Bewegungen bürstete ich mir die Haare und zog mir eine Jeans und ein schwarzes, rückenfreies Top an.
Das waren die wärmsten Klamotten, die ich momentan hatte, da die meisten meiner Wintersachen noch eingelagert waren und al es andere schmutzig war. Den Bademantel und die
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