Band 2 - Blutspiel
Hausschuhe ließ ich auf dem Boden liegen, und tapste barfuss durch den Flur, um Ivys Nachthemd zu holen, das an ihrer Badezimmertür hing.
»Ivy?« Ich klopfte zaghaft, hörte aber nur das Wasser laufen. Als keine Antwort kam, klopfte ich noch mal und öffnete schließlich die Tür. Die Dampfschwaden trübten die Sicht und machten es mir schwer, richtig zu atmen. »Ivy?«
Langsam bekam ich Angst. »Ivy, ist al es klar?«
Ich fand sie zusammengekauert auf dem Boden der Duschkabine. Das Wasser floss über ihren gebeugten Nacken und vereinigte sich mit dem Blut aus der Wunde zu einem pinken Rinnsal, das in den Abfluss strömte. Aber auch das Wasser auf dem Boden der Kabine war rötlich gefärbt, hauptsächlich rund um ihre Beine. Entsetzt starrte ich auf ihre Oberschenkel, an deren Innenseiten einige tiefe Kratzwunden zu sehen waren. Anscheinend war sie auch im herkömmlichen Sinn vergewaltigt worden.
Ich hatte das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen.
Ivys Haare klebten am Körper, ihre Gliedmaßen waren merkwürdig verrenkt, und ihre Haut war so bleich, dass die beiden schwarzen Fußkettchen sich abzeichneten wie eiserne Fesseln. Obwohl das Wasser siedend heiß war, zitterte sie wie Espenlaub. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihr verzerrtes Gesicht spiegelte eine Erinnerung, die sie ihr Leben lang und bis über den Tod hinaus verfolgen würde.
Wer hat behauptet, dass Vampirismus etwas Glamouröses sei? Es war eine Lüge, eine Täuschung, um die hässliche Realität zu verschleiern.
Ich holte tief Luft. »Ivy?«
Sie riss die Augen auf, und ich zuckte zurück.
»Ich wil nicht mehr nachdenken«, sagte sie leise und starrte mich an ohne zu blinzeln, obwohl ihr das Wasser übers Gesicht lief. »Wenn ich dich töte, muss ich nicht mehr nachdenken.«
Ich stand wie erstarrt. »Sol ich gehen?«, flüsterte ich.
Sie schloss die Augen wieder und verzog schmerzerfül t das Gesicht. Dann zog sie die Knie an, umschlang sie mit den Armen und begann wieder zu weinen. »Ja.«
Unsicher streckte ich mich nach dem Hahn und stel te das Wasser ab. Dann griff ich nach dem Badetuch, das sich plötzlich furchtbar rau anfühlte, und fragte ängstlich: »Ivy?
Ich wil dich nicht anfassen. Bitte steh auf.«
Noch immer weinend rappelte sie sich auf und nahm das Handtuch. Nachdem ich ihr das Versprechen abgenommen hatte, sich abzutrocknen und das Nachthemd anzuziehen, raffte ich ihre blutgetränkte Kleidung zusammen und warf sie mit meinem Bademantel und den Hausschuhen auf die hintere Veranda. Das weiterhin schwelende Blut stank wie verdorbener Weihrauch. Ich würde die Sachen später auf dem Friedhof vergraben.
Als ich zurückkam, fand ich Ivy in ihrem Bett. Sie hatte sich eng zusammengerol t, mit dem Gesicht zur Wand, und ihr feuchtes Haar durchnässte das Kopfkissen. Der Kakao stand unberührt auf dem Nachttisch. Sie lag vol kommen regungslos da, aber als ich die Wol decke vom Fußende des Bettes über sie zog, begann sie wieder zu zittern. »Ivy?« Ich fühlte mich so verdammt hilflos.
»Ich habe nein gesagt.« Ihr Flüstern hal te durch den stil en Raum.
Ich setzte mich auf die hübsch dekorierte Kommode an der Wand. Piscary. Aber ich schwieg, aus Angst, durch diesen Namen etwas Schlimmes auszulösen.
»Kist hat mich zu ihm gebracht«, fuhr sie monoton fort, als erzähle sie eine Geschichte, die bereits lange zurücklag. Sie hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und kral te sich an ihre Schulter. Mir wurde ganz anders, als ich rote Spuren unter ihren Nägeln bemerkte, die nur von selbstzugefügten Kratzern stammen konnten. Ich ging zum Bett, zog die Decke bis zu ihrem Hals hoch und setzte mich dann wieder.
»Kisten hat mich abgeholt, er hatte ihn geschickt, weil er mich sehen wol te«, begann sie noch einmal. Die Worte kamen nur langsam aus ihr heraus, als müsse sie sich überwinden, sie auszusprechen. »Er war wütend. Er sagte, du würdest ihm Ärger machen. Ich erklärte ihm, dass du ihm nichts tun würdest, aber er war so wütend. Er war so böse auf mich.«
Beunruhigt lehnte ich mich zu ihr.
»Er sagte«, fuhr Ivy kaum hörbar fort, »wenn ich dich nicht zähmen könnte, würde er es tun. Ich hatte ihm gesagt, dass ich dich zu meinem Nachkommen machen würde, dass du dich benehmen würdest und dass er dich nicht töten müsste, aber ich habe es nicht geschafft.« Sie sprach jetzt schnel er, fast hektisch. »Es sol te doch ein Geschenk sein, aber du wol test es nicht. Es tut mir so leid, so leid. Ich wol
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