Band 5 - Blutlied
»Bis du einmal um den Block gefahren bist, habe ich al e Nachbarn getroffen und kenne jeden Stein.«
»Babe?«, fragte ich scharf, aber er war bereits aus dem Fenster gesprungen und schwebte irgendwo zwischen den Wasserspeiern. Ich schloss das Fenster wieder, bevor der Zug den sorgfältig geflochtenen Zopf durcheinanderbringen konnte, den Jenks' Kinder mir gemacht hatten. Ich ließ sie nicht besonders oft an mein Haar. Ihre Arbeit war fantastisch, aber sie quasselten wie Fünfzehnjährige auf einem Konzert -
al e gleichzeitig und ungefähr einhundert Dezibel lauter als nötig.
Die Ampel schaltete um, und der Fahrer bog vorsichtig ab, wahrscheinlich weil er mich für eine Touristin hielt, die al es sehen wol te. Die scharfkantigen, sorgfältig gemörtelten Steine zogen sich zur Höhe von einem viel eicht achtstöckigen Gebäude hinauf und wirkten neben den niedrigen Läden, die darum entstanden waren, massiv und dauerhaft. Die Kathedrale grenzte an zwei Seiten an den Gehweg und überschattete die Straße. Im feuchten Schutz der ausladenden Stützpfeiler wuchsen Pflanzen, die den Schatten mochten. Die Fenster waren aus Buntglas, auch wenn sie von außen düster aussahen.
Ich kniff die Augen zusammen, als ich al das in mich aufnahm, überrascht darüber, wie wenig die Kathedrale das Gefühl des Wil kommenseins ausstrahlte, das ich in meiner Kirche fand. Es war ein bisschen, als würde man seine Großtante besuchen, die weder Hunde noch Musik mochte und natürlich auch keine Kekse vor dem Essen ausgab; sie gehörte trotzdem zur Familie, aber man musste sich immer benehmen und konnte sich nie entspannen.
Nach einer kurzen Musterung der einen Seite der Kathedrale zog ich mein Handy aus der Tasche und versuchte noch einmal, Ivy anzurufen. Immer noch keine Antwort. Kisten ging auch nicht dran, und als ich es vorhin bei Piscarys probiert hatte, war auch niemand rangegangen.
Ich hätte mir ja Sorgen gemacht, aber das war nichts Ungewöhnliches. Sie öffneten nicht vor fünf, und niemand hütete das Telefon, wenn geschlossen war.
Hinter der Kathedrale lag hinter einer Mauer ein schmaler Garten und daneben ein heruntergekommener Parkplatz.
An der Ecke stel te ich mein Telefon auf Vibrationsalarm und steckte es in meine Hosentasche, wo ich merken würde, fal s es klingelte. Auf der dritten Seite waren noch mehr Parkplätze, leer bis auf einen staubigen schwarzen Saturn im Schatten, und einen Basketbal platz, auf dem der Korb auf der vorgeschriebenen NBA-Höhe hing. Ihm gegenüber lag ein zweiter, mit einem sehr viel höheren Korb. Gemischte Spiele zwischen den Spezies waren keine gute Idee.
Ich wappnete mich, als der Taxifahrer langsamer wurde und mit dem linken Rad auf den Gehweg der Einbahnstraße auffuhr. Er nahm den Gang heraus und fummelte an einem Klemmbrett herum. »Sol ich warten?«, fragte er und warf einen kurzen Blick zu dem schmuddeligen Laden auf der anderen Straßenseite.
Ich grub einen Zwanziger aus meinem Geldbeutel und reichte ihn ihm. »Nein. Hinterher gibt es noch ein Essen, und ich werde mich einfach von irgendwem mitnehmen lassen.
Kann ich eine Quittung haben?«
Er schaute von seinem Papierkram auf, und auf seinem dunklen Gesicht spiegelte sich deutlich seine Überraschung.
»Sie kennen jemanden, der hier heiratet?«
Jenks schwebte ungeduldig vor dem Fenster, aber ich zögerte und lächelte dann breit. »Ja. Ich bin auf der Kalamack-Hochzeit.«
»Sie verarschen mich, oder?« Er riss seine braunen Augen so weit auf, dass ich das Weiße sehen konnte, das bei ihm eher Gelb war. Ein Hauch von Moschus stieg mir in die Nase.
Er war ein Tiermensch, wie die meisten Taxifahrer. Ich hatte keine Ahnung, warum. »Hey.« Er grub nach einer Visitenkarte und gab sie mir zusammen mit einer Blanko-quittung. »Ich habe eine Limo-Lizenz. Wenn sie jemanden brauchen, ich stehe bereit.«
Ich nahm sie und konnte seinen Mut nur bewundern.
»Darauf würde ich wetten. Danke für die Fahrt.«
»Jederzeit«, sagte er, als ich ausstieg. Er lehnte sich hinter mir aus dem Fenster. »Ich habe Zugriff auf ein Auto und al es.
Das hier mache ich nur als Job, bis ich meinen Pilotenschein gemacht habe.«
Ich nickte mit einem Lächeln und drehte mich zu den Kirchentüren um. Pilotenschein? Der war neu.
Das Taxi fädelte sich in den Verkehr ein, und Jenks ließ sich von wo auch immer er gewesen war, herabsinken. »Da lasse ich dich mal für fünf Minuten al ein«, beschwerte er sich,
»und schon wirst du
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