Band 5 - Blutlied
noch bevor mein Kopf auf dem Gras aufkam.
25
»Sol das so lange dauern?«, erklang Jenks Stimme, irgendwie brummend, als käme sie von hinter meinen Augen. Meine Schulter tat weh. Ich bewegte meinen Arm und berührte ihn dann mit der Hand. Ich war klatschnass, und die Überraschung weckte mich endgültig auf.
Ich holte Luft, setzte mich auf und riss die Augen auf.
»Ho! Da ist sie!«, sagte Keasley mit sorgenvol en braunen Augen, als er zurückwich und sich aufrichtete. Sein ledriges Gesicht war vol er Falten, und sein verblichener Wol mantel sah nicht gerade warm aus. Die aufgehende Sonne spendete vages Licht, und ich sah, dass Jenks neben ihm schwebte.
Beide beobachteten mich besorgt, als ich mich an den Grabstein zurücklehnte. Wir waren umgeben von Pixies, und ihr Kichern klang wie ein Glockenspiel.
»Du hast mich verzaubert!«, schrie ich, sodass Jenks'
Kinder kreischend auseinanderschossen. Ich schaute nach unten, und mir ging auf, dass es Salzwasser war, das aus meinen Haaren, von meiner Nase und meinen Fingern tropfte und von meiner Unterhose aufgesaugt wurde. Ich bin ein verdammtes Wrack.
Keasleys verkniffenes Gesicht entspannte sich. »Ich habe dir das Leben gerettet.« Er ließ den großen Plastikeimer fal en und streckte eine Hand aus, um mir aufzuhelfen.
Ich ignorierte sie und rappelte mich auf, bevor das Wasser noch mehr in meine Hose einziehen konnte. »Verdammt noch mal, Keasley«, fluchte ich und schüttelte empört meine tropfnassen Hände. »Vielen Dank auch.«
Er schnaubte und Jenks landete auf einem der nahe stehenden Steine. Die Sonne leuchtete hübsch durch seine Flügel. »Vielen Dank auch«, spottete er. »Was habe ich dir gesagt? Dämlich, ohne einen Schimmer und zickig. Du hättest sie bis Mittag pennen lassen sol en.«
Ich versuchte genervt, das Salzwasser aus meinen Haaren zu wringen. Es war acht Jahre her, dass jemand mich so überrumpelt hatte. Dann erstarrten meine Finger und meine Aufmerksamkeit wanderte über den Rest des Friedhofes, nebelig und golden in der aufgehenden Sonne. »Wo ist Ceri?«
Keasley beugte sich mühsam vor, um sich einen Klappstuhl unter den Arm zu klemmen. »Zu Hause. Und weint.«
Schuldbewusst schaute ich zur Friedhofsmauer, als könnte ich durch sie hindurch sein Haus sehen. »Es tut mir leid«, sagte ich und erinnerte mich an ihr schockiertes Gesicht, als ich sie zu Boden gestoßen hatte. Oh Gott. Ivy.
Ich spannte mich an, um loszurennen, aber Jenks flog mir ins Gesicht und trieb mich so zurück. »Nein, Rachel!«, schrie er. »Das ist kein bescheuerter Film. Wenn du Piscary jagst, bist du tot! Wenn du auch nur eine Bewegung machst, pixe ich dich und verpasse dir dann eine Lobotomie. Ich sol te dich sowieso pixen, du dämliche Hexe! Was zur Höl e stimmt nicht mit dir?«
Der Drang, zu meinem Auto zu laufen, starb. Er hatte recht.
Keasley beobachtete mich, und seine Hände waren dabei verdächtig tief in den weiten Taschen seines Mantels versenkt. Dann hob ich meine Augen zu seinem Gesicht, in dem weise Intel igenz stand. Ceri hatte ihn einmal einen Krieger im Ruhestand genannt. Inzwischen glaubte ich ihr. Er hatte den Abzug gestern Abend mit zu viel Routine gezogen.
Wenn ich Ivy aus Piscarys Fängen retten wol te, würde ich das sorgfältig planen müssen.
Deprimiert verschränkte ich die Arme und lehnte mich gegen den Grabstein. In einiger Entfernung sah ich eine Gruppe von ungefähr zehn Leuten über die Mauer klettern, um das Grundstück zu verlassen. Ich starrte sie gereizt an, entspannte mich dann aber. Es war heiliger Boden, und ich war sicherlich nicht die Einzige gewesen, die Angst gehabt hatte.
»'tschuldigung für gestern Nacht«, sagte ich. »Ich habe nicht nachgedacht. Es ist nur. .« Meine Gedanken schossen zu Ivy im letzten Jahr, wie sie starr unter ihrer Decke lag und mir erzählte, wie Piscary sie in Geist und Seele vergewaltigt hatte in einem Versuch, sie davon zu überzeugen, mich zu töten. Mein Gesicht wurde kalt, und ich musste meine Angst herunterschlucken. »Ist Ceri in Ordnung?«, gelang es mir, zu fragen. Ich musste Ivy von ihm wegkriegen.
Mit scharfen dunklen Augen räusperte sich Keasley, als wüsste er, dass ich innerlich immer noch kochte.
»Ja«, sagte er. Er bewegte sich vorsichtig, um seinen Stuhl fester fassen zu können. »Sie ist in Ordnung. Al erdings habe ich sie noch nie so gesehen. Peinlich berührt, weil sie versucht hat, dich mit ihrer Magie zu stoppen.«
»Ich hätte sie nicht schubsen sol en.«
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