Bangkok Tattoo
Königs und einem Plakat der Crime Suppression Division, das die einhunderteins Möglichkeiten der Einkommensaufbesserung für Polizisten präsentiert.
»Ist er schwul?« fragt Vikorn gereizt.
»Nein.«
»Er wirkt sehr effeminiert. Manche der Männer beklagen sich. Wenn er schwul ist, werf ich ihn raus. Ich will nicht, daß du lügst, um ihn zu schützen. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für dein Mitgefühlgesäusel.«
»Er ist nicht schwul, sondern interessiert sich überhaupt nicht für Sex.« Vikorn lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und versucht, mich mit Blicken in die Knie zu zwingen. Eigentlich habe ich keine Lust, Leks Geschichte zu erzählen, aber offenbar bleibt mir keine andere Wahl. »Er stammt aus Isaan, genauer gesagt aus Napo in der Provinz Buriram, nicht weit von der Gegend, in der Sie aufgewachsen sind.« Er nickt. »Mit fünf Jahren hatte er einen Unfall. Er sprang auf die Hinterbeine eines Büffels, um von dort aus auf seinen Rücken zu klettern, wie die Leute auf dem Land es gern tun, aber das Tier schleuderte ihn in die Luft. Er hatte Glück, daß er nicht von den Hörnern aufgespießt wurde, landete jedoch mit dem Kopf auf einem Stein. Es gab keinerlei medizinische Einrichtungen dort, und die Leute glaubten, er würde sterben, so übel sah er aus. Wieso habe ich eigentlich das Gefühl, daß Sie den Rest der Geschichte schon kennen?«
Vikorns Gesichtsausdruck hat sich verändert; seine Augen glänzen, als er aufsteht und genüßlich meine Schilderung fortführt: »Sie haben den Schamanen gerufen, der ein Holzkohlenfeuer neben dem Kopf des Kindes entzündete, um klarer sehen zu können. Dann holte man die Eltern, denen der Schamane erklärte, ihr Junge sei so gut wie tot, es gebe nur eine einzige Chance: Sie müßten das Kind einem Geist darbieten, der von seinem Körper Besitz ergreifen und es ins Leben zurückholen würde. Doch von da an würde der Junge diesem Geist gehören, nicht mehr den Eltern.« Er hebt fragend die Augenbrauen.
»Es funktionierte, allerdings hatte die Sache einen Haken«, bestätige ich mit einem Nicken.
Vikorn hebt einen Finger. »Der Geist war weiblich.«
Ich lege die Handflächen vor der Stirn zu einem wai aneinander, um sein tiefes Verständnis der Welt zu würdigen, während er wieder hinter seinem Schreibtisch Platz nimmt. »Werden Sie ihm helfen?«
Er macht eine ausladende Geste mit beiden Händen.
»Schwule sind ein westlicher Import; katoys gehören zu Thailand wie Zitronengras. Ich werde ihn schützen, solange ich kann, aber wir müssen ihm eine passendere Tätigkeit suchen.«
»Er will bald mit dem Östrogen anfangen. Das könnte hart werden.«
Vikorn grinst. »Ein Bulle mit Titten? Will er die ganze Operation machen lassen?«
»Das weiß er noch nicht so genau. Aber im Moment hat er sowieso nicht das Geld dafür.«
»Warum zum Teufel ist er dann Cop geworden?«
»Aus dem gleichen Grund wie ich. Er wollte weder Stricher noch Gangster sein.«
Vikorn nickt. »Verstehe. Hat er schon eine Ältere Schwester gefunden?«
»Nein. Er möchte, daß ich meine Mutter deswegen anspreche.«
Nachdenkliches Schweigen. »In einer Bar soll er nicht arbeiten. Hat er vor zu tanzen?«
»Ja. Er sucht nach einem Gönner und übt die ganze Zeit. Er liebt den klassischen Thai-Tanz, besonders das Ramakien.«
Vikorn dreht bedächtig den Kopf zur Seite. »Ich hatte mal einen katoy -Cousin, der ist an Aids gestorben, obwohl er sich nicht durch alle Betten geschlafen hat, aber das waren die frühen Achtziger, und da wußte man noch nichts über die Krankheit. Wahrscheinlich hatte er einfach Pech. Gib dem jungen Lek einen Rat: Falls er sich nicht operieren läßt, soll er kein normales Klebeband verwenden, weil das zu starr ist und auf Dauer furchtbare Entzündungen verursacht. Die medizinischen Pflaster sind viel besser. Okay, du kannst jetzt gehen.«
Während ich mich auf den Weg zur Tür mache, frage ich: »Gibt es eigentlich irgendein Gebiet, auf dem Sie sich nicht auskennen?«
Als Antwort bekomme ich ein strahlendes Lächeln.
Als ich in die Bar zurückkehre, muß ich feststellen, daß meine Mutter, die nirgendwo zu sehen ist, die Musikauswahl einem der Mädchen überlassen hat:
I pinch you on the bum – Ich kneif dich in den Arsch I pinch you on the bum – Ich kneif dich in den Arsch You pinch me on the bum – Du kneifst mich in den Arsch You pinch me on the bum – Du kneifst mich in den Arsch
Ein ausgesprochen anspruchsvoller Text. Ich
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