Bangkok Tattoo
tiefem Rückenausschnitt und noch gewagterem Brustdekolleté, so daß ihr von einem geübten Chirurgen dezent vergrößerter Busen bestens zur Geltung kommt. Sie ist ausgesprochen talentiert und hat sich bereits ein zweistöckiges Haus mit dazugehöriger Garage auf einem Stück Grund in ihrem Heimatdorf gebaut. Mit den Einkünften der vergangenen Woche hat sie zwei weitere Wasserbüffel für ihre Eltern erworben, die diese nun an die Nachbarn vermieten. Ihr erster Satz an alle Neuankömmlinge in der Bar lautet: »Du hast mir sofort gefallen.« Es amüsiert mich, wie oft dieses Entree zu funktionieren scheint.
Die Busenfreundinnen Wan und Pat tragen identische Hot pants, knallenge Tops und Stöckelschuhe. Sie stammen nicht aus Isaan im Nordosten, sondern aus der Provinz Chiang Mai im äußersten Nordwesten, wo das Wetter kühler und das Opium frischer ist. Sie kommen aus einem Bergdorf der Hmong, wo sie zu Expertinnen in Sachen Mohnanbau heranwuchsen. Als der Staat diesen verbot, wurden sie plötzlich überflüssig und verlegten sich auf ein anderes Laster, um die entstandene Versorgungslücke zu füllen. Sobald sie das nötige Geld zusammenhaben, wollen sie einen Schönheitssalon in Chiang Mai eröffnen.
Die androgyne Om hat ihre Jeans an den Pobacken abgeschnitten und hinterläßt Baumwollfäden, wo immer sie sitzt. Sie stammt aus dem durch den Tourismus reichen Phuket und mußte in der Kindheit keinen Mangel leiden, langweilte sich aber im Minimarkt der Familie und kam nach Krung Thep, um Abenteuer zu erleben. Für sie ist die Prostitution im wesentlichen ein Sport, bei dem die Athletin Charme, List und die Macht des Sex einsetzt. Das Ziel der Aktion besteht darin, den Freier dazu zu bringen, daß er das Geld aus seiner Brieftasche in die ihre steckt, ohne zu merken, was für ein Trottel er ist.
Ay trägt einen Bikini und Stöckelschuhe, so daß ihr silbernes Nabelpiercing an ihrem flachen braunen Bauch und die beiden springenden Schwertfische, deren Schwerter sich knapp über dem Höschen kreuzen, besonders gut zur Geltung kommen. Sie ist ein echtes Kind aus Isaan, wo sie als Analphabetin aufwuchs. Wie viele ihrer Genossinnen besitzt sie ein fotografisches Gedächtnis und erinnert sich an alle Freiernamen, auch wenn sie den Betreffenden schon ein Jahr lang nicht mehr gesehen hat. Natürlich ist das in ihrem Gewerbe von großem Vorteil.
Dann wäre da noch Bon, die bedeutend globaler eingestellt ist als die anderen. Sie nutzt uns als Basislager, bevorzugt aber die lukrativeren Einsatzorte Tokio, Singapur und Hongkong und berät als Visaexpertin kostenlos Kolleginnen, die mit dem Gedanken spielen, ins Ausland zu gehen. Ihr Englisch ist so gut wie perfekt, und soweit ich weiß, kann sich ihr Japanisch auch hören lassen. Sie hat ihre eigene Webpage, die ihr den einen oder anderen Freier verschafft und es ihr ermöglicht, mit ausländischen Kunden in Kontakt zu bleiben. Den anderen Girls ist sie insofern voraus, als daß sie in ihrem Heimatdorf bereits ein von ihrer Mutter verwaltetes Etablissement ihr eigen nennt.
Und nun eine meiner Favoritinnen: Urn, ein echtes Mädchen vom Land, kommt aus dem ärmsten Teil Isaans an der kambodschanischen Grenze und ist nicht bereit, ihre Persönlichkeit verformen zu lassen, indem sie Lesen und Schreiben lernt oder sich mehr Englisch aneignet als für das Gewerbe unbedingt nötig. Aus ihrer Kindheit auf den Reisfeldern sind ihr leichte Plattfüße geblieben, und die Hosenbeine rollt sie gern bis zu den Knien hoch, als watete sie durch einen Sumpf. Sie ist abergläubisch, grüßt unseren Buddha immer mit einem wai und zieht die Schuhe aus, wenn sie die Bar betritt – deswegen muß sie sich häufig Spötteleien der anderen gefallen lassen. Sie spricht Thai mit stark ländlichem Akzent und maximaler Vulgarität. Aber sie besitzt auch eine außergewöhnlich gute Figur und ein strahlendes Lächeln, weswegen sie keinen Hunger leiden muß.
Su: Auf den ersten Blick macht sie keinen großen Eindruck, doch sowohl meine Mutter als auch ich bewundern ihre echte Thai-Trägheit. Neulich habe ich ihr versuchsweise einen Missionar vorbeigeschickt. (Von seiner Sorte tauchen hin und wieder welche bei uns auf: weißes Hemd, schwarze Krawatte mit winzigem Knoten, die traurige Höflichkeit des Kreuzritters im Kampf wider die Sünde, Bibel im Schulterholster – für mich sehen sie alle gleich aus, die Männer wie die Frauen.)
Missionar zu Su: »Egal, was du verdienst, ich zahle dir das gleiche,
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