Bangkok Tattoo
ihrem Hintern in dem Bikiniunterteil nach, als sie zum anderen Ende der Bar hinunterstöckelt.
Nur nicht der Moslem. Allmählich beginnt sich dicke Luft aufzubauen.
Zum Glück heißt »Umziehen« bei Ay nur, daß sie in einen Rock und ein T-Shirt schlüpft und gleich wieder zurück ist. Greg hat die Drinks und die Auslöse bereits bezahlt. »Bis später«, ruft er uns von der Tür aus zu.
Der Moslem sieht den beiden mit angewidertem Blick nach.
Jetzt platzen der kahlköpfige Riese und seine Gang herein. Aus Allahs Sicht wohl kaum eine Verbesserung.
»He, Sonchai, was ist denn das für eine Musik? Die ist ja mindestens tausend Jahre alt.«
Ich wähle Moody Blues mit »Nights in White Satin«.
»Schon besser.«
Meine ganze Aufmerksamkeit gilt nun der Gang. Im Moment befinden sich die Alten in einigermaßen manierlichem Zustand, aber Geriatriker dieser Sorte erfordern ununterbrochene Wachsamkeit. Zum Glück sind inzwischen genug Mädchen – Marly, Kat, Pinung und ein paar andere – für alle eingetroffen. Die Herren würdigen ihre Anwesenheit mit Lockrufen und Sabbern, offenbar ein Beweis ihrer Manneskraft. Den lachenden Mädchen bleibt kaum Zeit zum Umziehen. Als sie zurückkehren, warten bereits Drinks auf sie, und ich bestelle telefonisch Tequila nach.
Alle außer mir leeren ihre Gläser mit einem Zug. Der Fremde schürzt die Lippen. Er hat das Foto mittlerweile wieder gefaltet, und ich frage mich, warum er hier sitzen bleibt, wenn die alten Herren ihm doch so offensichtlich auf die Nerven gehen. Plötzlich habe ich eine meiner Eingebungen.
Vielleicht sollte ich das erklären. Wir waren Teenager, als Pichai, mein bester Freund und Bruder im Geiste, unseren yaa-baa- Händlerumbrachte. Daraufhin organisierten unsere Mütter für uns oben im Norden einen einjährigen Aufenthalt in einem Kloster, dem ein hochgeachteter Mönch vorsteht, zufällig Vikorns älterer Bruder. Pichai kam übrigens bei dem bereits erwähnten Kobrafall letztes Jahr ums Leben.
Zwölf Monate intensiver Meditation in dem Waldkloster veränderten uns beide auf eine Weise, die Nicht-Meditierende nicht verstehen können. Seit dieser Zeit habe ich hin und wieder Eingebungen hinsichtlich der früheren Daseinsformen anderer Menschen. Manchmal ist die Information klar und deutlich, doch meistens besteht sie aus eher vagen Kurzeinsichten in das Innenleben meines Gegenübers. Der Moslem ist ungewöhnlich, etwas so Seltenes in Bangkok, daß mir einen Augenblick lang die Luft wegbleibt. Ich bin mir fast sicher: Wir sind uns vor etwa siebenhundert Jahren in der großen buddhistischen Universität im indischen Nalanda begegnet. Und ich muß zugeben, daß er sich den inneren Glanz von damals bewahrt hat.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie er einen Geldschein unter seine leere Cola-Dose klemmt und die Bar verläßt.
Plötzlich fällt dem kahlköpfigen Riesen ein, daß Laiita den Jive beherrscht.
»›Jailhouse Rock‹«, brüllt er.
Die Mädchen erinnern sich alle noch an das letzte Mal.
»Ja, Sonchai, gib ihm Elvis.«
Wir fangen mit »Blue Suede Shoes« an und machen mit »Jailhouse Rock«, »Nothing but a Hound Dog« und anderen Elvis-Songs weiter. Ein paar von den alten Herren schnappen sich eine Partnerin und beginnen zu tanzen. Wir feuern sie mit rhythmischem Klatschen und Aahs und Oohs an. Jetzt verkündet der kahlköpfige Riese mit lauter Stimme, daß sie alle vor etwa einer halben Stunde eine Viagra eingeworfen haben. Juchzer von den Mädchen, die die geheimnisvollen Schwellungen der Alten gern mit den jeweiligen Besitzern und auch untereinander diskutieren. Wir nähern uns dem Höhepunkt der geriatrischen Ferien: Das ist das Leben, strahlen die faltigen alten Gesichter.
Als ich zu dem Hocker gehe, auf dem bis vor kurzem der Moslem saß, sehe ich, daß er abgezählt das Geld für die Cola, eine Visitenkarte mit Telefonnummer und Adresse sowie das ordentlich gefaltete Foto von Chanyas Opfer zurückgelassen hat.
» Jai dum « , lautet Marlys Kommentar, als sie den Hocker des Moslems mit finsterem Blick passiert. Schwarzes Herz.
Mittlerweile sind wir bei den langsameren Stücken angelangt. Elvis singt »Love Me Tender«, und die Exhippies drücken ihre Partnerinnen an sich, wohl eher, um sich abzustützen, als um sie zu umarmen.
»Alte Männer«, flüstert Marly mir auf thai zu. »Bald tot.«
9
Am Anfang dieses kalpa reisten drei Männer zusammen, ein Christ, ein Moslem und ein Buddhist. Sie waren gute Freunde, und wenn sie sich über
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