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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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erfuhr, welche Botschaft der Briefpartner am anderen Ende der Welt einem zugedacht hatte. Aber wir leben nun mal im einundzwanzigsten Jahrhundert, und wenn man in Babylon ist, sollte man heulen wie die babylonischen Wölfe. Mit ein paar Klicks bin ich bei der Standardwerbung für den Old Man’s Club. Ich füge dem Text die Zeile Hallo von Nong Jitpleecheep und Deinem Dich liebenden Sohn Sonchai hinzu, bevor ich die Nachricht an Supermann alias meinen biologischen Vater absende. Vermutlich ist das die Sorte frühmorgendlicher Botschaft, vor der jeder Mann mittleren Alters mit ähnlichen Leichen im Keller am meisten Angst hat. Was bedeutet, daß wir nie von ihm hören werden, stimmt’s?
    Ich rufe meine Mutter an und erzähle ihr von Kimberleys E-Mail, verschweige ihr aber fürs erste, daß ich den unwiderruflichen Schritt gewagt habe, ihm eine Nachricht zu schicken.
    Langes Schweigen, dann ein geflüstertes: »Das hat sie wirklich alles übers FBI rausgefunden?«
    »Ja.«
    »Die Geschichte ist jetzt dreiunddreißig Jahre her, Sonchai. Ich weiß nicht, ob ich das verkrafte.« Ein gedämpftes Geräusch, das alles sein könnte – aber doch bestimmt nicht ein unbeherrschtes Schluchzen? Völlig untypisch für sie, legt sie sofort auf.
    Jetzt bin ich wieder mit ihm allein. Held, Junkie, erfolgreicher Anwalt, lausiger Ehemann, abwesender Vater (zumindest in meinem Fall). Verlorene Seele?
    Wieder klingelt mein Handy. »Würde es dir etwas ausmachen, mir zu sagen, was du zu tun beabsichtigst?«
    Ich gestehe ihr, daß ich Supermann die Werbeseite mit unserem Familiennamen geschickt habe. Sie holt tief Luft.
    »Hast du nicht alle Tassen im Schrank? Sonchai, du hättest wenigstens zuerst mit mir darüber reden können. Fehlt dir denn jeder Respekt?«
    »Er ist mein Vater.«
    Wieder legt sie auf. Ich zucke mit den Achseln. Von Bangkok Airways erhalte ich die telefonische Auskunft, daß es täglich neun Flüge nach Hat Yai, aber nur zwei pro Woche nach Songai Kolok gibt. Ich lasse mir einen Platz im nächsten Flieger nach Hat Yai reservieren.

12
    Zur Information: Grob übersetzt lautet der volle Name unserer Hauptstadt: »Prächtige Stadt der Engel, Quell göttlicher Juwelen, unbezwingbares Land, großartiges Reich vor allen anderen, wunderbare königliche Hauptstadt voll der neun edlen Juwelen, höchste königliche Heimstatt und Prachtpalast, göttliche Unterkunft und Wohnung reinkarnierter Geister.«
    Eine phonetische Transkription sieht etwa so aus: »Krung Thep mahanakhon bowon rattanakosin mahintara ayuthaya mahadilok popnopparat ratchathani burirom-udomratchaniwet mahasathan-amonpiman-avatansathi-sakkathatityavisnukamprasit.«
    Bangkok kommt darin nicht vor.

ZWEI
 
Der Süden

13
    Während des Fluges in den tiefen Süden sitze ich neben zwei jungen Sextouristen, die über eine abgedroschene Anekdote kichern: »Also hab ich ihre Auslöse bezahlt und sie mit aufs Zimmer genommen, und als ich am Morgen ins Bad gehe, seh ich, daß der Toilettensitz voller Fußabdrücke ist, weil sie sich in der Hocke draufgestellt hat – ist das zu fassen?«
    Diese Geschichte macht mich immer wütend, obwohl sie die kulturelle Kluft zwischen Ost und West illustriert. Nicht, weil die Mädchen an die hockende Toilettenbenutzung gewöhnt sind, sondern weil die Westler das so bemerkenswert, ja schockierend finden. Das führt mich zu dem Schluß, daß das Klo für das Denken des farang so zentral ist wie für uns Buddha. Folglich kann ich mir eine Einmischung nicht verkneifen.
    »Neuere Forschungen haben ergeben, daß Menschen, die im Hocken kacken, fast nie an Darmkrebs erkranken«, erkläre ich dem jungen Mann neben mir (er trägt ein Kopftuch, einen Nasenstecker, Bermuda-Shorts und ein T-Shirt).
    Ein fragender Blick. »Tatsächlich?«
    »Ja, nicht lange, dann hockt man auch im Westen auf den Klobrillen. Damit sich die Technik rascher durchsetzt, wird’s Kurse, bebilderte Ratgeber und Talkshows zu dem Thema geben; sogar Missionare sollen in andere Länder ausgesandt werden.«
    »Wie bitte?«
    Ist Volksbildung nicht etwas Wunderbares? Ich wende mich ab und sehe, immer noch ein wenig verärgert, zum Fenster hinaus auf die schwerelosen weißen Wolken, bis mir der ehrwürdige Monsieur Truffaut einfällt, der meine Mutter für ein paar Monate in Paris anheuerte, als ich noch ein Junge war. Sogar in seinem Apartment im cinquième arrondissement gab es eine Hocktoilette. Aus diesem Grund brachte meine Mutter ihm – und den Franzosen allgemein –

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