Bangkok Tattoo
bestanden, hier reinzugehen.«
»Gut. Gleich werden Sie mir zeigen, wo Mr. Mitch Turner wohnte. Das ist die Zukunft, Mustafa. Doch bleiben wir fürs erste in der Gegenwart. Gefällt es Ihnen hier denn nicht?«
Er sieht sich achselzuckend um. »Es ist ein ganz normales Café.«
Es gelingt mir nicht, in seinen Dickschädel einzudringen – obwohl ich einmal sein Lehrer war und er mich mit der gleichen Inbrunst und Blindheit liebte, die ihm heute noch eigen ist. »Mustafa, darf ich Ihnen etwas sagen? Sie beherrschen das, was Sie tun, hervorragend. Auch in einem kleinen Ort wie diesem ist es nicht leicht, jemanden so beschatten zu lassen, daß man jede Minute weiß, wo er sich aufhält. Ihre Leute folgen mir seit meiner Ankunft. Das habe ich erst gemerkt, als ich einen in sein Handy sprechen sah, und selbst das war eher Intuition meinerseits.«
»Und? Mein Vater muß immer Bescheid wissen, was sich tut, das habe ich Ihnen schon in Krung Thep gesagt.
Es ist sein Netzwerk, nicht meines. Er meint …« Mustafa schweigt, aus Angst, zuviel zu verraten.
»Was meint Ihr Vater?«
»Er sagt, für die moderne Welt gibt es nichts Bedrohlicheres als einen moderaten Moslem. Die Fanatiker hassen uns, weil sie uns für Ketzer und Feiglinge halten, und der Westen haßt uns, weil wir eine Moral besitzen, die ihm schon vor langem abhanden gekommen ist – viele farangs konvertieren zu unserem Glauben, besonders in Amerika. Ich muß meinen Vater schützen.«
»Sie leiten also das Netzwerk, das er eingerichtet hat?«
»Ja.«
»Dann wissen Sie vermutlich mehr über Mitch Turner als jeder andere Mensch auf der Welt, jedenfalls über den Mitch Turner, der wie lange auch immer hier in Songai Kolok lebte.«
»Mehr als acht Monate.« Ein verächtliches Grinsen umspielt seine Mundwinkel. »Acht Monate und zwei Wochen.«
»Ihre Leute sind ihm überallhin gefolgt, stimmt’s?«
»Mein Vater hat Ihnen das doch schon erklärt: Wir wollten ihn schützen. Und das konnten wir nur, wenn wir ihn im Auge behielten.«
»Hat er es gemerkt?«
Kopfschütteln. »Er war ziemlich dumm.« Mustafa sieht mir in die Augen. »Nein, das ist nicht das richtige Wort. Er war ein typischer farang, eine verlorene Seele, zerrissen, besessen von Dämonen. Er lebte in seiner Phantasie und bekam von der Außenwelt nur wenig mit. Ich hätte ihn von zehn Männern beschatten lassen können, ohne daß er es gemerkt hätte. Als farang dachte er natürlich, er sei der einzige, der hier spioniert. Nach dem ersten Monat hatte sich seine Verwirrung verstärkt. Von Zeit zu Zeit besuchte ihn eine Nutte aus Bangkok. Er nahm Drogen, machte eine schlimme Zeit durch, glaubte, er erlebe eine religiöse Offenbarung. Deshalb suchte er meinen Vater auf. Aber letztlich steckte seine westliche Psychose dahinter. Warum meinen farangs, daß Gott Verrückte mag? Allah liebt Männer aus Stahl.«
»Eine Nutte? Kennen Sie ihren Namen?«
»Nein. Sie blieb nie lange genug, als daß wir den hätten herausfinden können.«
»Und ein Foto haben Sie nicht von ihr gemacht?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Das brauchten wir nicht, weil er ein Bild von ihr in seiner Wohnung hatte. Wenn Sie nicht darauf bestanden hätten, mit mir in dieses Café zu gehen, würden Sie es jetzt schon in Händen halten.«
Ach, Mustafa, würde ich am liebsten sagen, du hast dich überhaupt nicht verändert.
»Sie haben seine Wohnung regelmäßig durchsucht?«
»Nicht regelmäßig, nein.« Die Frage bringt ihn ein bißchen durcheinander.
»Mustafa«, sage ich. Er sieht mich an. »Wenn Sie wollen, daß ich eine vollständige Ermittlung durchführe und einen überzeugenden Bericht verfasse, müssen Sie mir alles erzählen.«
Widerstrebend: »Einer unserer Elektronikexperten von jenseits der Grenze hat uns ein Gerät besorgt, mit dem sich die Tastenanschläge seines Computers aufzeichnen ließen. Natürlich mußten wir in seine Wohnung, um es zu installieren, und noch einmal, um es wieder zu entfernen.«
Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und finde Trost in dem Grinsen, das sich auf Mustafas Gesicht ausbreitet. Allerdings hat er sich sofort wieder im Griff.
Mit einem bewundernden Lächeln sage ich: »Dieses Gerät hat immer die ersten Tastenanschläge aufgezeichnet, wenn er online ging, stimmt’s? Mit anderen Worten: sein Paßwort. Deswegen mußte sich das Ding nur kurze Zeit an Ort und Stelle befinden. So sind Sie in die Datenbank der CIA eingedrungen?«
»Nicht auf allen Ebenen. Nach dem Zugang
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