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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Alkohol und einer riesigen Disco mit Karaoke. Der Sex rundet den Abend ab, falls sie noch nüchtern genug sind.
    Ich entdecke eine Schönheit von einer Eleganz, wie man sie außerhalb von Krung Thep normalerweise nicht findet. Sie mustert mich in Windeseile, nimmt meine Thai-Kleidung wahr und schreibt mich als potentiellen Kunden ab. Es ist vielsagend, daß eine Frau wie sie hier arbeitet, allerdings nicht so vielsagend wie das Polizeirevier. Kein Asienkenner würde daran zweifeln, daß die Cops den Mädchen Miete für die Nutzung des Grunds unmittelbar vor der Mauer abknöpfen.
    Die allgegenwärtige Prostitution ist der Hauptwirtschaftsfaktor des Ortes. Mustafa fällt mir ein. Was für ein Affront muß das Treiben hier für ihn sein, was für eine Tortur. In allen Hotelfoyers, Cafés, Restaurants, ja, an jeder Straßenecke warten Frauen zwischen Zwanzig und Dreißig. Die meisten sehen durch mich hindurch, weil sie auf Malaien spezialisiert sind, aber sie wirken, als wären sie durchaus willig, falls ich Interesse zeigte. Der Ort ist nicht gerade eine Brutstätte islamischen Fanatismus: Ich glaube, jeder Al-Qaida-Anhänger würde mit Spott vertrieben. Nicht einmal Mohammed höchstpersönlich könnte die Leute der Gegend zum Dschihad verführen, denn sie befinden sich bereits im islamischen Himmel.
    Ich versuche, mir vorzustellen, wie der farang Mitch Turner Monat um Monat hier verbrachte. Nun, immerhin einmal scheint er einen Abstecher zur Soi Cowboy gemacht zu haben. Ich verstehe auch, warum. Abgesehen von der Prostitution hat dieser kleine, klaustrophobische Ort nicht viel zu bieten.
    Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie ein junger Moslem ein Handy aus der Tasche holt und hineinspricht. Bilde ich mir sein kurzes Nicken in meine Richtung nur ein? Während er noch redet, nehme ich mein eigenes Handy heraus und wähle Mustafas Nummer: besetzt. Einem Polizisten mit ordentlicher Ausbildung würde das nichts beweisen, aber ein Dritte-Welt-Cop, der sich auf seine Intuition verläßt, zieht seine Schlüsse daraus.
    Sobald der junge Mann sein Telefon zuklappt, wähle ich die Nummer von Mustafa noch einmal: Jetzt ist die Leitung frei.
    »Sonchai, wo sind Sie?«
    »Sie wissen, wo ich bin.«
    Kurzes Schweigen. »Dann komme ich jetzt.«
    Zehn Minuten später nähert er sich mir zu Fuß. Nun sehe ich ihn im Kontext, seinem Kontext, diesen ernsten jungen Mann des Islam. Ich möchte seine Reaktion auf die Prostituierten beobachten, die Hauptleistungsträger der Stadtökonomie, seiner Stadt, seiner Ökonomie, doch er scheint sie kaum wahrzunehmen, denn eine Mission hat von ihm Besitz ergriffen. Er hält den Blick starr nach vorne gerichtet und schreitet kerzengerade dahin wie sein Vater. Die Schönheit seiner Hingabe an Allah ist nicht zu leugnen, aber uns hat Buddha den mittleren Pfad geschenkt; in dem von Mustafa kann ich keine goldene Mitte entdecken. Ohne seinen Vater, der ihn zurückhält, wäre er fähig, die Bevölkerung des Ortes kaltblütig auszulöschen. Wir begrüßen einander nicht mit einem wai; in Abwesenheit des alten Mannes bleibt unser Umgang neutral, wie bei Feinden, die kurz ein gemeinsames Ziel verfolgen, bevor sie den alten Zwist wiederaufnehmen.
    »Ich habe den Schlüssel«, sagt er, ohne mich anzusehen, und fischt in seiner Tasche herum.
    »Nicht auf der Straße, Mustafa«, erwidere ich und dirigiere ihn in ein Café, wo ich ein 7-Up bestelle und er ein Wasser. Er fühlt sich unwohl hier, obwohl man in diesem Café keinen Alkohol kaufen kann. Vermutlich würde er sich in jeder Umgebung mit entspannter Atmosphäre unwohl fühlen. Vage Bilder aus der fernen Vergangenheit tanzen vor meinem geistigen Auge: Auch damals war er mit Scheuklappen geschlagen gewesen. Der Buddhismus erwies sich seinerzeit als zu subtil für ihn und ist es bis heute geblieben. Der erleuchtete Gautama Buddha begriff jede Begierde als obszöne Verzerrung, sogar die Sehnsucht nach Gott. Mustafa ist eine jener leidenschaftlichen Seelen, die für den Islam, die Kriegerreligion, wie geschaffen sind.
    »Entspannen Sie sich«, sage ich. »Versuchen Sie, Ihren Geist zu öffnen. Ich brauche Informationen.«
    »Was für Informationen?« Er geht sofort in die Defensive. Seiner Vorstellung nach sollte unser Treffen einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben. Er ahnt nicht, wie westlich diese seltsame Begrenzung der Realität ist.
    »Nun, wie sieht’s mit der Adresse aus?«
    Ein Blinzeln. »Ich wollte sie Ihnen ja sagen, aber Sie haben darauf

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