Bangkok Tattoo
Blick richtet sich auf den Beutel in Ruamsantiahs linker Hand. »Ich kann Ihre Leiden lindern, Chaz.« Endlich widmet er mir seine volle Aufmerksamkeit. Er sieht mich flehend an. »Schon gut, Chaz, Sie können mir vertrauen, ich bin ein Cop, ha ha. Nein, wirklich, ich gebe Ihnen mein Wort. Wir machen einen langsamen Entzug mit Ihnen, reduzieren die Dosis jeden Tag ein bißchen, bis Sie clean sind, besorgen Ihnen vielleicht sogar Methadon. Das wäre doch nur menschlich, oder?«
Er schluckt, macht den Mund auf, starrt den Beutel an und flüstert: »Den Cold Turkey schaff ich nicht, der bringt mich um.« Unsere Blicke treffen sich. Ein Bekenntnis aus den Tiefen seiner Seele. Tja, wie gern würde er den Macho spielen, immun gegen alle Schwächen, aber der Drogendrache ist einfach zu stark.
»Natürlich müssen Sie uns dafür helfen, diese Hexe und ihre Lieferanten auffliegen zu lassen.«
Ein kurzer Blick, ein Nicken, dann bricht er in Tränen aus. Mit zugeschnürter Kehle wimmert er: »Geben Sie mir den Stoff, dann sage ich Ihnen, was Sie wissen wollen.«
Ruamsantiah und ich sehen einander an. »Besorgen Sie ihm ein Besteck«, weise ich den Sergeant an. »Aber ein sterilisiertes.«
Während der Sergeant sich auf die Suche nach Spritze, Öllämpchen und anderem Zubehör macht, versuche ich Buckle aus der Reserve zu locken: »Sie sind ein kleiner Fisch, Chaz. Sie hat sie benutzt und dann hängen lassen. Aber sie ist selber auch kein so toller Hecht, sondern bloß eine farang in der Midlife-crisis. Von der Sorte gibt’s viele. Die versetzt keine Berge, kriegt nur die Reste vom großen Kuchen. Vielleicht sind Denises Krumen größer als Ihre, doch es sind und bleiben Krumen, weil der Handel hierzulande in den Händen der Einheimischen liegt. Es gibt keine farang jao por, Chaz, keine farang- Bosse , die sind alle Thai – aber das wissen Sie ja schon. Erzählen Sie mir lieber, mit welchen Kontakten Denise Sie beeindrucken und davon überzeugen wollte, daß Sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Denn gewisse Sicherheiten benötigt ein schlauer Kopf wie Sie bei so einem Risiko schon, selbst wenn Sie sie tatsächlich gebumst haben. Sie mußte Ihnen ihre Referenzen vorlegen, stimmt’s?«
Nun kehrt Ruamsantiah mit einer Einwegspritze in der Originalverpackung, einem Öllämpchen sowie einem Stück Alufolie zurück, legt alles auf den groben Holztisch am hinteren Ende der Zelle und deponiert das Päckchen Heroin neben der Spritze. Chaz läßt ihn nicht aus den Augen. Der Sergeant und ich mustern Chaz.
»Ein General der Thai-Armee«, flüstert er mit gebrochener Stimme.
»Name?«
»Zinna.«
»Erzählen Sie mir mehr über General Zinna. Wie oft haben Sie ihn getroffen?«
»Einmal.«
»Sie hat Sie beide ein einziges Mal zusammengebracht, um Ihnen ihre Glaubwürdigkeit zu beweisen?« Ein Nicken. »Das muß Sie ja ganz schön beeindruckt haben.«
»Er kam in Uniform, in Begleitung von Soldaten.«
»Wo haben Sie ihn getroffen?«
»Woher soll ich das wissen? Sie hat mich irgendwo hingebracht, ich hab nicht aufgepaßt.«
»Beschreiben Sie den Ort.«
»Großes Haus, drei Stockwerke, jede Menge Grund, Hunde, Affen.«
Als ich seine Antwort übersetzt habe, starrt Ruamsantiah mich an. »Er meint Khun Mu.«
Chaz Buckle erkennt den Namen. »Ja, irgendwas mit Mu, stimmt.«
Ich nicke. »Schaffen Sie’s allein, sich den Schuß zu setzen, Chaz, oder sollen wir jemanden holen, der Ihnen hilft?«
»Das krieg ich hin.«
Ich sehe zu, wie der Sergeant den Tisch zu der Stelle zieht, an der Chaz mit Fuß- und Handgelenken an den Gitterstäben festgemacht ist, und den Gefangenen von den oberen Fesseln befreit. Sofort beugt sich Chaz über den Tisch, reißt einen Streifen Alufolie ab und schüttelt gierig das Heroin aus dem Beutel. Ich lasse ihn mit Ruamsantiah allein.
20
In einem Stau Ecke Soi Asok/Sukhumvit Road – jenem schwarzen Loch also, in dem die Zeit verschwindet – bitte ich den Fahrer, seine CD mit Thai-Pop auszuschalten, damit Lek und ich Rod Tit FM lauschen können. Pisit hat keine Geringere als meine Mutter in seine Sendung eingeladen, und zwar in ihrer Eigenschaft als bekannteste und wortgewaltigste Exprostituierte Thailands.
Es sind schlechte Zeiten für die dunklere Seite des menschlichen Daseins, farang. Unsere Regierung durchlebt wieder einmal eine ihrer puritanischen Phasen und hat beschlossen, die Sperrstunde vorzuverlegen. Von nächstem Monat an müssen alle Bars um Mitternacht schließen. Natürlich
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