Bangkok Tattoo
sich seit meiner eigenen aktiven Zeit letztlich nicht erhöht.
Ich bin stolz auf meine Mutter, weil sie sich ein Vokabular angeeignet hat, das normalerweise der herrschenden Klasse vorbehalten ist. Plötzlich dreht sich der Taxifahrer zu uns um: »Das ist Ihre Mutter? Die war wohl in ihrer Jugend ein ganz schöner Feger.«
»Jetzt können Sie wieder die Thai-Pop-CD einschalten«, erwidere ich.
Als der Stau sich endlich aufzulösen beginnt, fragt Lek: »Haben Sie schon die neue Kollektion von Yves Saint-Laurent im Emporium gesehen? Tolle Sachen.«
»Dieses Jahr bin ich nicht auf dem laufenden.«
»Aber Armani und Versace bringen immer noch die besten Farben.«
»Stimmt, die Italiener haben einfach ein gutes Auge für Farben.«
»Trotzdem sind mir die japanischen Modeschöpfer lieber. Junya Watanabes Modelle sind diese Saison einfach göttlich: staubgraue Satin- und Samtstoffe. Zuerst ist man verdutzt, aber dann denkt man: perfekt. Haben Sie schon mit Ihrer Mutter gesprochen?«
Ich schlucke, bevor ich einen Blick auf sein pechschwarzes Haar, seine jugendlich frische Haut, den samtigen Glanz seiner Wangen und seine unschuldigen Augen werfe. Gedanklich beschäftige ich mich seit Tagen mit der Frage, ob Nongs Weisheit sie in den mittleren Jahren im Stich läßt. Ich empfinde es fast als Verstoß gegen das Gesetz der Natur, diesen Engel Fatima vorzustellen. Doch dann begreife ich, was Nong meint: Es geht um Initiation. Wie üblich hat meine Mutter recht. Fatima wird Lek nicht nur guttun, sondern ist genau die Person, die er braucht, um zu überleben und Erfahrungen zu sammeln. Außerdem besitzt Fatima unglaublich viel Geld. Wenn sie beschließt, ihn zu adoptieren, hat er ausgesorgt.
»Nun, sie hat eine gemeinsame Freundin vorgeschlagen, die mir im Zusammenhang mit dir nicht eingefallen wäre. Ich habe sie seit mehr als einem Jahr nicht getroffen, aber es dürfte kein Problem sein, den Kontakt wiederherzustellen. Ich werde sehen, was sich machen läßt.«
Lek bedenkt mich mit einem dankbaren Strahlen. »Wo, sagten Sie, fahren wir jetzt hin?«
»Zu Khun Mu, Lek.«
21
Hol ein Thai-Mädchen aus seinem Dritte-Welt-Dorf, gib ihm Geld, und was wünscht es sich nach dem Herrenhaus in Form einer dreistöckigen Hochzeitstorte und dem grellbunten Mercedes? Für gewöhnlich Louis-quinze-Möbel in Acryltönen. Sogar Beige wird bei diesem Grad der Lichtreflexion zur schreienden Farbe, und der grüne Teppich sieht aus, als könnte man Tennis darauf spielen, aber Khun Mu paßt irgendwie zu dieser Umgebung.
Ein Wort zu Mu: Bevor Vikorn ihren Mann Savian »Joey« Sonkan erschoß, brüstete sich dieser gern, er habe mehr Baht für die Gestaltung von Mus Körper ausgegeben als für das Haus und die Doppelgarage, doch in Wahrheit begann die ansonsten eher als Spätzünder bekannte Mu bereits vor der Beziehung mit Joey, ihren Körper zu formen. Die meisten ihrer Freundinnen verließen Isaan mit etwa achtzehn, um in der großen Stadt zu arbeiten. Viele von ihnen verbrachten die Ferien daheim und prahlten mit dem Geld, das sie dummen farang- Männernfür die Nutzung ihres Körpers abknöpften. (Für das, was diese in einer Nacht in den Bars auf den Kopf hauten, konnte man sich einen ausgewachsenen Wasserbüffel kaufen.) Jahrelang schienen diese Geschichten Mu nicht sonderlich zu beeindrucken, bis sie eines Tages die Familienersparnisse unter dem Bett ihrer Eltern hervorholte, alles in eine Silikonbrustvergrößerung und eine vollkommen neue Garderobe investierte und sich nach Krung Thep absetzte, um dort ihr Glück zu versuchen. Sie landete nicht bei Männern aus dem Westen (ihr starrer, immer ein wenig hohl klingender Busen sowie der pinkfarbene Bodystocking wirkten offenbar nicht allzu verführerisch, obwohl Berater ihr anderes versprochen hatten), sondern bei einem heimischen jao por, einem jungen Drogenbaron, der eine Frau mit ähnlich schlechtem Geschmack wie er selbst zu schätzen wußte. Joey dealte nicht nur mit Drogen – er lebte mit ihnen. Nachdem mein Colonel ihn ins Jenseits befördert hatte, fanden wir Schränke voller yaa baa, stellten fest, daß die eheliche Matratze mit Heroin ausgestopft war und in der Garage haufenweise ganja lagerte. Vikorn, dessen Zeit der Schießereien mit Desperados längst der Vergangenheit angehörte und der sich gern mit Joey arrangiert hätte (beispielsweise in Form eines bescheidenen siebzigprozentigen Anteils an dessen Bruttoerlös), beabsichtigte nicht, ihn umzubringen, doch Joeys
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