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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Leidenschaft galt neben den Drogen und der schönheitschirurgischen Veränderung von Mus Körper Actionfilmen, je brutaler desto besser. Er wollte wie Al Pacino in dem Remake von Scarface sterben, und nach Jahren der Provokation erfüllte Vikorn ihm schließlich diesen Wunsch.
    Mein toter Partner Pichai und ich sowie die Hälfte der Cops von District 8 waren bei dem Showdown dabei, ganz zu schweigen von sämtlichen Fernsehsendern. Joey trat unbewaffnet auf den Schlafzimmerbalkon und beleidigte Vikorns Männlichkeit, um ihn zu einem Duell zu provozieren, während dieser ein Jagdgewehr mit Infrarotzielvorrichtung hinter einem Polizeiwagen kauernd abfeuerte, bevor Joey ihm die Regeln der Auseinandersetzung mitteilen konnte. Vielleicht hatte Joey vorausgesehen, was passieren würde, denn er stand ganz vorn auf dem Balkon und legte einen ausgesprochen telegenen Sturz einschließlich Überschlag nach hinten vor dem endgültigen Aufprall hin. Wenige Minuten später tauchte Mu mit einem weißen Louis-quinze-Rüschentaschentuch in der Hand auf, um in die Kameras zu lächeln. Sie trage dem Colonel nichts nach, erklärte sie strahlend, denn schließlich gehörten ihr jetzt das Haus und die Autos sowie die Möbel. Einige Stunden später entdeckten wir im Revier, daß das Dummchen, das kaum Lesen und Schreiben konnte, ein lückenloses Erinnerungsvermögen besaß. Offenbar kannte Mu obendrein keine Angst, denn sie nannte uns, die Busenpyramiden auf uns gerichtet, bereitwillig insgesamt dreihunderteinundzwanzig Namen von Geschäftsfreunden ihres Mannes (eine selektive Liste, weil sich keine Polizisten darunter befanden). Ohne allzu große Ermutigung bestätigte sie außerdem, daß Joey, dem äußeren Anschein zum Trotz, eine (wenn auch nicht sichtbare) Waffe getragen habe und Vikorn somit völlig zurecht auf Notwehr plädiere. Damit wurden selbst die skeptischsten Medienvertreter zum Schweigen gebracht. Auch Mus Verhandlungsgeschick erwies sich als dem ihres verstorbenen Ehemannes überlegen. Vor dem Verlassen des Reviers sagte sie Vikorn, ihr Leben sei nun kaum mehr wert als einen Baht, und falls man ihr den Rest ihres Erdendaseins keinen Personenschutz zur Verfügung stelle, habe sie durch die Preisgabe der Verdächtigenliste praktisch Selbstmord begangen.
    »Sie brauchen Geld«, lautete Vikorns Antwort.
    »Genau.«
    »Okay«, meinte Vikorn. Mu verstand dieses Fremdwort als Erlaubnis, die Geschäfte mit dem Militär fortzuführen. Außerdem ließ er sie etwa zehn Prozent der Drogen auf dem Anwesen behalten. Der Rest war mehr als genug für die übliche Fotosession mit einem lächelnden Vikorn in voller Polizeiuniform vor einem Tisch mit Heroin, Morphium, Meth und ganja, deren Marktwert für den Erwerb einer ganzen Luftflotte ausgereicht hätte.
    All das trug sich vor ein paar Jahren zu. Wir konsultieren Mu auch heute noch hin und wieder. Da Vikorn seinerseits ein gewiefter Verhandlungspartner ist, verpflichtete er Mu als Informantin – hauptsächlich gegen Zinna, Joeys Hauptlieferanten. Um sie nicht zu gefährden, suchen wir sie höchstens einmal im Jahr auf.
    Geld und Zeit haben erwiesen, daß sie ihrem Wesen nach weder eine Nutte noch eine Gangsterin, sondern zutiefst exzentrisch ist. Trotz des Sicherheitsrisikos weigert sie sich, das Anwesen zu verlassen, das sie in eine Zuflucht für streunende Hunde und Affen verwandelt hat. Sie füttert die Tiere höchstpersönlich dreimal täglich, für gewöhnlich in einem grell rosaroten Morgenmantel. Nur an den Jahrestagen von Joeys Tod trägt sie Malve, die Lieblingsfarbe ihres Mannes. (Auch einer der Rolls-Royces ist so lackiert.) Überall wimmelt es von (malvenfarben gekleideten) Sicherheitsleuten. Es gibt sogar ein Wachhäuschen, wo ich unsere Ausweise vorzeigen muß, und eine Digitalkamera, die es Mu ermöglicht, Leks und mein Gesicht genau zu begutachten, bevor sie uns einläßt.
    Jetzt stehen wir auf dem Tennisplatzteppich im Hauptempfangsraum, während sie auf einem glänzend beigefarbenen Fünfsitzersofa eine junge und ziemlich verschlafene Dalmatinerhündin streichelt. Da Vikorn gern auf dem laufenden bleibt, weiß ich, daß sie im Moment keinen Liebhaber hat, es sei denn, sie hätte sich einen der Sicherheitsleute auserkoren, und das ist eher unwahrscheinlich. Sie wirkt wie eine milliardenschwere Nonne mit einer Schwäche für Tiere. Ihr langes Alleinleben hat sie gänzlich unbefangen gemacht, und so mutet das ungehemmte Spiel der Emotionen auf ihrem Gesicht, von traurig zu

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