Bangkok Tattoo
fröhlich und umgekehrt, fast kindlich an.
Lek bleibt, schockiert über die grelle Einrichtung, wie angewurzelt stehen. Mu sagt: »Ich kenne Sie. Sie sind doch der Mischling, der bei der Schießerei dabei war. Haben Sie meinen Mann umgebracht?«
»Sie wissen genau, daß es Colonel Vikorn war.«
»Ja, stimmt. Zumindest hat er den Medien gegenüber die Verantwortung übernommen, aber er ist ein sehr kluger Mann. Vielleicht waren Sie es, der abgedrückt hat, oder einer Ihrer Kollegen.« Ich erwidere nichts. »Möchten Sie ihn sehen?« Ich hüstle. »Kommen Sie, er freut sich sicher.«
Sie bettet die Dalmatinerhündin auf einen der Sessel und sieht dann Lek an. »Begleitet uns der hübsche Junge?«
In einem Nebenraum sitzt Joey in typischer Pose einbalsamiert à l’américaine, auf einem Regiestuhl, ein Handy am Ohr, eine Zigarre in der anderen Hand, ein offenes Gucci-Hemd sowie ein Jackett, eine Hose von Yves Saint-Laurent und bunte Schuhe am Leib. Sein breites, fast schon acrylen intensives Lächeln paßt zum Motto des Hauses. In einer gekonnten Vermischung der Kulturen hat Mu ihn mit goldenen Bildern des Buddha in unterschiedlichen Haltungen umgeben, und überall flackern elektrische Votivkerzen. Die vorherrschende Farbe – nun, sie ist nicht schwer zu erraten. Vor Betreten des Schreins ist Mu in einen malvenfarbenen Morgenmantel geschlüpft. Ich werde das beunruhigende Gefühl nicht los, daß sich darunter lediglich chirurgisch verschönertes Fleisch befindet.
Sie hebt die manikürte Hand in einer anmutigen Geste zum Mund. »Wissen Sie, immer wenn ich an diesen Tag denke, bekomme ich ein schreckliches Gefühl.«
»Das wollten wir wirklich nicht«, erkläre ich. »Vikorn wäre sicher zu einem Arrangement mit Joey bereit gewesen, hätte der nicht diese Todessehnsucht gehabt.«
»Ich weiß. Aber hinterher, auf dem Revier. Sie müssen mich für sehr dumm und naiv gehalten haben, für das sprichwörtliche Mädchen vom Land, völlig verloren in der großen Stadt.«
»Aber nein. Eigentlich waren wir eher ziemlich beeindruckt.«
»Tatsächlich?« Ein mißbilligendes Lächeln. »Versuchen Sie nicht, mir zu schmeicheln, Detective. Hinter meinem Rücken haben Sie mich alle ausgelacht.«
»Wieso hätten wir das tun sollen?«
»Wegen dem Silikon natürlich. Joey war immer so damit beschäftigt, Geld zu verdienen, daß er nie bessere Qualität verlangt hat. Sehen Sie nur.«
Sie öffnet den Morgenmantel und gibt den Blick auf ihren Busen frei. Zum erstenmal zeigt Lek Interesse an dem Fall. Ich weiß, daß es sie beruhigen wird, wenn ich ihr den Gefallen tue, ihre Brüste zu inspizieren, obwohl ich bereits verstanden habe, worauf sie hinauswill. Das starre Silikon ist verschwunden, ersetzt durch Säckchen mit Salzlösung oder Kollagen, die sich angenehm anfühlen und ganz natürlich schwingen, obwohl ein Purist einwenden könnte, daß sie besser zu einer zehn Jahre jüngeren Frau passen würden.
»Darf ich?« fragt Lek. Mu nickt lächelnd. Voller Bewunderung berührt Lek beide Brüste wie ein Kaufinteressierter bei einer Kunstauktion. »Sie sind einfach wunderbar.«
»Stimmt«, pflichte ich ihm bei. »Sie müssen sehr stolz darauf sein.«
»Ja«, meint sie, während sie den Morgenmantel mit einem hastigen Blick in Richtung Joey wieder schließt. »Nun, was wollen Sie wissen? Vikorn schickt mir jedes Jahr jemanden vorbei, aber im Moment bin ich nicht wirklich auf dem laufenden.«
»Vor Joey?«
»Natürlich nicht. Lassen Sie uns hinaufgehen – ich sehe gern den Tieren zu.«
Das Schlafzimmer ist so groß wie die Bettenabteilung in einem Kaufhaus des schlechten Geschmacks. Einen Moment ruht mein gequälter Blick voll Optimismus auf einem schlichten Bücherregal. Ich bin beeindruckt, daß darin ausschließlich buddhistische Werke stehen; die Bewunderung verfliegt wieder, als ich sehe, daß es sich um unzählige Ausgaben ein und desselben Buchs handelt.
Wir setzen uns zu dritt auf eine Fensterbank, vermutlich ihren Lieblingsplatz im Haus, und schauen hinunter auf den Garten, wo ein Affe wie ein Jockey auf einer dänischen Dogge reitet, sie sogar mit seinem langen Arm antreibt. Alles läuft prima – sogar der Hund scheint Freude daran zu haben, den Angehörigen einer höheren Spezies von A nach B zu befördern –, bis ein anderer Affe, ein Schimpanse, glaube ich, der ein wenig älter und schlauer wirkt, ebenfalls auf der Dogge sitzen möchte.
»Das ist Vikorn«, erläutert Mu.
Vikorn zieht den Hund am Schwanz,
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