Bangkok Tattoo
Kopf. Die nackte Khun Mu sitzt mit durchschnittener Kehle in obszöner Haltung auf Joeys einbalsamierter Leiche. Und auf dem riesigen Bett im großen Schlafzimmer liegt eine dicke farang- FrauMitte Vierzig, lediglich mit riesigen Shorts bekleidet, aufgeschlitzt vom Unterleib bis zur Brust.
»Denise?« frage ich Vikorn.
Er nickt. »Sie wohnte in einem protzigen Haus in Phuket mit Blick auf die Andamanensee. Er hat sie entführt und hierhergebracht zum Beweis dafür, daß niemand ihn daran hindern kann.« Ein Kopfschütteln, dann sieht Vikorn mich an. »Alle unsere Zeugen sind tot.«
Der Colonel geht zu dem Sofa beim Fenster hinüber und läßt sich darauf sinken. Ich habe ihn noch nie so niedergeschlagen gesehen. »Wir sind bis jetzt symmetrisch gegen ihn vorgegangen«, murmelt er. »Das war ein Fehler. In puncto Gewalt können wir ihm nicht das Wasser reichen. Er ist die Armee, in Buddhas Namen.« Wieder ein schneller Blick in meine Richtung. »Tut mir leid, Sonchai, aber ich muß dir die Akte wegnehmen.«
»Sie haben einen Besseren?«
»Die Sache erfordert weibliche Intuition.«
»Manny? Besonders subtil ist die nicht gerade.«
Er zuckt mit den Achseln: kein Kommentar. Vikorn sitzt zusammengesunken auf der Couch, Tränen in den Augen. Mich überspült eine große Welle des Mitleids – doch halt: Seine Inszenierung mit Verzweiflung, Frustration, Niedergeschlagenheit und einer Prise Senilität wirkt ein bißchen zu glatt.
»Es gibt einen Plan C, stimmt’s?«
Vikorn sieht mich an, als hätte er keine Ahnung, wovon ich spreche.
Am nächsten Tag im Polizeirevier stellt sich heraus, daß der Colonel den Morgen damit verbracht hat, sich die internationalen Nachrichten im Fernsehen anzuschauen, wo er sonst hauptsächlich Berichterstattungen über thailändische Billardturniere verfolgt. (Vikorn leitet das größte Wettsyndikat des Landes.) Als ich sein Büro betrete, wendet er den Blick nicht vom Bildschirm. Offenbar ist in einem abgelegenen Dorf auf Java eine Bombe hochgegangen, die fünf indonesische Hindus getötet und weitere zwanzig ins Krankenhaus befördert hat. Es bestehen so gut wie keine Zweifel daran, daß die Verantwortlichen einer extremistischen Moslemgruppe angehören, weil einer ihrer Anhänger bei der Detonation ums Leben kam. Teile seines Käppchens, seines Barts, ein paar seiner Finger, ein Bein und andere Körperteile wurden gefunden. Man hofft, seine Identität und den Namen seiner terroristischen Splittergruppe schon bald zu kennen. Verständlicherweise interessieren sich die westlichen Geheimdienste für die Sache und sind nur zu bereit, Beistand zu leisten.
Ich habe keine Ahnung, warum Vikorn, den man wohl kaum einen vollglobalisierten Weltbürger nennen kann (ob er Frankreich auf der Landkarte finden würde?), so großes Interesse an dem Vorfall hat, aber als ich hüstle, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, hebt er abwehrend die Hand. Sobald die Nachrichtensendung zu Ende ist, greift er zum Telefon und weist zu meiner Überraschung Lieutenant Manhatsirikit an, einen Platz in der morgigen Maschine nach Jakarta für ihn zu reservieren. Während er sich auf den Weg zum Flughafen begibt, soll sie ein Treffen mit einem der indonesischen Polizeichefs zum Zweck des »für beide Seiten nützlichen Informationsaustauschs« vereinbaren. Mit offenem Mund beobachte ich, wie er seine Sachen ordnet. Während meiner ganzen Zeit in District 8 hat der Colonel den geheiligten Boden Thailands niemals verlassen. Nun trifft Manny ein, bedenkt mich mit einem mürrischen Blick und erklärt Vikorn, sie habe einen Dolmetscher für ihn aufgetrieben, der die dort übliche Sprache (Vikorn nennt sie wiederholt »Indonesisch«, doch Lieutenant Manhatsirikit und ich haben da so unsere Zweifel) fließend beherrsche und ihn am Flughafen treffen werde. Als sie weg ist, wirft er einen Blick auf sein Handgelenk: sieben Uhr abends. »Jetzt gehen wir was essen«, sagt er zu mir und ruft telefonisch seinen Chauffeur.
Auf dem Rücksitz seines Bentley, beschallt vom »Walkürenritt« in voller Lautstärke, vorne der Fahrer mit seinem üblichen arroganten Grinsen, legt der Colonel mir eine Hand auf die Schulter. »Du wirst letzte Nacht vergessen. Sie ist nie passiert. Konzentrier dich voll und ganz auf den Turner-Fall.«
»Sagen Sie mir wenigstens, wie Plan C aussieht.«
»Besser für dich, wenn du das nicht weißt. Außerdem ist er streng geheim.«
Kaum zu fassen, welche Großherzigkeit mich ergreift. Ich freue
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